Kreuzberg schafft sich ab

Johanna Treblin hält Maigörli für den neuen Ballermann

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Kreuzberg schafft sich seine Probleme selbst. Erst wurde das MyFest gegründet, um den Kiez zu »befrieden«: Am 1. Mai sollten keine Autos mehr brennen und keine Schaufenster mehr eingeworfen werden. Das hat zwar geklappt. Aber jetzt ist die Partymeute da.

Von Moritzplatz bis Görlitzer Ufer dominieren seit 15 Jahren an jedem 1. Mai Bier, Bratwurst und Sonnenbrillen in Neonfarben. Wer am Tag der Arbeit lieber feiern will, statt sich auf den Gewerkschaftsdemos der politischen Willensbildung hinzugeben, kommt nach Kreuzberg. Weil das auch den Bezirksverantwortlichen zu bunt wurde, experimentierte man 2016 mit weniger Bühnen und weniger Toiletten, in der Hoffnung, dass ein kleineres Angebot auch die Nachfrage schmälere.

Ohne Erfolg. Deshalb wurde jetzt die Gegenstrategie gefahren: Das MyFest, wenn auch unter anderem Namen, wurde erbarmungslos erweitert. Mit der Konsequenz, dass Kreuzberg an diesem Tag noch weitläufiger abgesperrt wurde, noch weniger erreichbar war und sich die Partymeute erst recht eingeladen fühlte.

Was kommt als nächstes? Wird 2019 auch das Ufer des Landwehrkanals zum institutionalisierten Ballermann ausgerufen? Das werden die Anwohner hoffentlich zu vermeiden wissen. Immerhin sollen sie eingebunden werden, ein Konzept für die künftigen Maifeiertage zu entwickeln.

Doch wer Kreuzberg am 1. Mai wieder lebenswert machen will, muss den ganzen Partyzirkus komplett abschaffen. Dann besinnen sich die ganzen Feierfreudigen vielleicht auch wieder darauf zurück, dass dies eigentlich ein politischer Feiertag ist. Einer, an dem man sich gerade nicht mit (teurem) Bier und Spielen betäuben lassen sollte.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal