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  • Ausstieg aus Atom-Deal mit Iran

Kritik an Rückzug der USA aus Atomabkommen

Weltweit befürchten Politiker und Experten weitere Destabilisierung des Nahen Ostens

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Mit seiner Entscheidung zum Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran hat US-Präsident Donald Trump international Kritik und Sorge ausgelöst. Die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens äußerten am Dienstagabend »Bedauern und Sorge« und kündigten an, sich zusammen für den Erhalt der Vereinbarung einsetzen zu wollen. Politiker und Experten äußerten die Befürchtung, dass der Nahe Osten nach Trumps Entschluss weiter destabilisiert werden könnte.

Trump hatte seine Entscheidung am Dienstag unter anderem damit begründet, dass Teheran trotz der Vereinbarung von 2015 sein Streben nach Atomwaffen fortgesetzt habe. Zugleich leitete Trump die Wiedereinsetzung von Sanktionen ein.

Die an dem mühsam ausgehandelten Atomabkommen beteiligten drei europäischen Staaten, Deutschland, Frankreich und Großbritannien erklärten, die Vereinbarung bleibe »wichtig für unsere gemeinsame Sicherheit«, deshalb würden sich die drei Länder für den Erhalt des Abkommens einsetzen. Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte, die EU sei »entschlossen«, das Atomabkommen aufrecht zu erhalten.

Das russische Außenministerium reagierte »tief enttäuscht« auf Trumps Entscheidung. Ex-US-Präsident Barack Obama, unter dessen Regierung das Abkommen ausgearbeitet worden war, sprach von einer »fehlgeleiteten« Entscheidung und einem »schwerwiegenden Fehler« seines Nachfolgers. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die übrigen Unterzeichner dazu auf ihre Verpflichtungen einzuhalten.

Irans Präsident Hassan Ruhani kündigte an, mit den übrigen Unterzeichnern des Abkommens - Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China - über Trumps Entscheidung sprechen zu wollen. Er drohte aber auch damit, die iranische Urananreicherung wieder zu verstärken, und warf Trump »psychologische Kriegsführung« vor.

Experten und Politiker befürchten nach Trumps Entscheidung neue Spannungen im Nahen Osten: »Vermutlich werden wir in den nächsten Tagen und Wochen eine weitere Destabilisierung der Region erleben«, sagte der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, der »Welt« vom Mittwoch. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff sagte dem Blatt, der Schritt gefährde zweifellos die Sicherheit im Nahen Osten. Die Linksfraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch nannten Trumps Entscheidung »brandgefährlich«.

Die Vorsitzende der LINKEN Katja Kipping schrieb auf Twitter: »Donald Trump ist ein Horrorclown, der die Welt an den Abgrund führen könnte. Die Kündigung des Atomabkommen mit Iran stürzt den Nahen Osten in einen neuen, am Ende sogar nuklearen Rüstungswettlauf und gefährdet die Sicherheit in Europa. Bundesregierung muss an Atomdeal festhalten!«

Auch die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Annalena Baerbock äußerte sich auf Twitter: »Europa muss jetzt geschlossen Verantwortung übernehmen und das Iran-Abkommen retten. Wenn die USA unter Trump nicht mehr verlässlich für globale Sicherheit einstehen, muss Europa es tun.«

Auch das transatlantische Verhältnis dürfte durch Trumps Entschluss weiter belastet werden. Es handle sich um eine »schwerwiegende Fehlentscheidung«, die »zu einer erheblichen Belastung des transatlantischen Verhältnisses führen« werde, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt dem Nachrichtenportal »T-Online«.

Dass Trump alle Bemühungen der europäischen Partner für den Erhalt des Abkommens ignoriert habe, stelle eine »neue Qualität in den transatlantischen Beziehungen« dar, sagte SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich der »Mitteldeutschen Zeitung«.

Trump hatte auch angekündigt, mit den Verbündeten an einer »umfassenden und dauerhaften« Lösung zum Stopp der iranischen Aktivitäten im Nahen Osten zusammenarbeiten zu wollen.

Eine weitere Kooperation zwischen den USA und den Partnern dürfte aber nicht zuletzt auch durch die Folgen seiner Entscheidung für europäische Investoren erschwert werden.

Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, forderte, als Konsequenz aus den US-Sanktionen sollten deutsche Unternehmen ihre Geschäfte in Iran »sofort« herunterfahren. Trumps Sicherheitsberater John Bolton gab in Washington bekannt, dass die Strafmaßnahmen »ab sofort« für alle Neuverträge gelten würden. Ausländische Firmen, die bereits in Iran seien, hätten drei bis sechs Monate Zeit, um das Land zu verlassen. Ansonsten werde ihnen der Zugang zum US-Markt verwehrt.

US-Finanzminister Steven Mnuchin machte klar, dass auch europäische Firmen betroffen sein könnten, wenn sie weiter mit Iran Geschäfte machten.

Die deutsche Wirtschaft zeigte sich besorgt: »Das Wiederaufleben der US-Sanktionen führt zu enormer Verunsicherung bei der deutschen Wirtschaft«, erklärte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier.

Merkel, Macron und May erklärten zu den US-Sanktionen, ihr Festhalten an dem Atomabkommen schließe »den Erhalt von wirtschaftlichen Vorteilen« der Vereinbarung »für das iranische Volk ein«. Schon vor Trumps Iran-Rede hatte die EU-Kommission mitgeteilt, sie bereite zusammen mit Iran Maßnahmen zum Schutz europäischer Unternehmen vor. AFP/nd

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