• Berlin
  • Autonomen-Kneipe Kadterschmiede

Sieg am Tegeler Weg

Briefkastenfirma scheitert vor Gericht gegen alternative Kneipe in der Rigaer Straße

  • Christian Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Interesse ist groß. Vor dem Gericht im Tegeler Weg stehen nicht nur zahlreiche Unterstützer_innen der »Kadterschmiede«, sondern auch viele Pressevertreter_innen Schlange vor den Kontrollen. Weil sogenannte sitzungspolizeiliche Maßnahmen angeordnet sind, werden alle Prozessteilnehmer_innen durchsucht. Auch Bereitschaftspolizei ist vor Ort. Die Vereinsräume, um die es geht, liegen im Erdgeschoss des autonomen Hausprojekts in der Rigaer Straße 94.

Am Landgericht im Tegeler Weg in Charlottenburg wird am Montagmorgen der Prozess über die Kneipe »Kadterschmiede« weitergeführt. Verhandelt werden prozessuale Fragen: Es geht um die Prozessbefugnis der Klägerseite, die bereits im vergangenen Jahr nicht nachgewiesen werden konnte. Richter Martin Hülsböhmer stellt gleich zu Beginn dazu fest, »ein Kind muss durch die Eltern vertreten sein, eine Limited durch einen oder mehrere Directors«. Dazu liegt eine Beglaubigung von einem Notar aus Newcastle vor, demzufolge Mark Burton aktueller Director der »Lafone Limited« sein soll und damit auch »befugt, die Gesellschaft zu vertreten«. Dies sei nachgewiesen, »durch Einsichtnahme beim Gesellschaftsregisteramt und in die Unterlagen der Gesellschaft«, so das notarielle Schreiben. Nach Hülsböhmer sei die entscheidende Frage aber, »ob das reicht«. Sei dem nicht so, wäre die Prozessvollmacht hinfällig und damit auch der Einspruch vom vergangenen Jahr hinfällig. Der Notar trete hier als Gutachter auf, aber es sei nicht klar, welche Unterlagen genau gesichtet wurden, insbesondere das Protokollbuch der Gesellschaft sei relevant. Ferner liege keine Vollmacht der Hausverwaltung Kapica an den Klägeranwalt Markus Bernau vor.

Der angebliche Director Burton ist geladen, erscheint aber nicht. »Das wundert mich nicht«, sagt Lukas Theune, Anwalt der »Freunde der Kadterschmiede«. Er beantragt, das Versäumnisurteil vom Februar 2017 aufrechtzuerhalten, das damals ergangen war, da die Klägerseite keine Prozessvollmacht vorweisen konnte. »Ich würde bestreiten, dass jemals eine ladungsfähige Anschrift bestanden hätte«, so Theune. Bernau widerspricht: »Wir sind ansprechbar« und fügt hinzu, seine Partei würde den Rechtsstreit »gerne abschließen«.

Immerhin einen vorläufigen Abschluss gibt es jetzt. Vor dem Landgericht verliert die Klägerin am Montag in erster Instanz. Ihr Einspruch gegen das Versäumnisurteil von 2017 wird als unzulässig verworfen. Die Eigentümerfirma wollte in dem Prozess die Räumung der »Kadterschmiede« durchsetzen. Am ersten Verhandlungstag im Februar 2017 war es nur um die Vollmacht des Anwalts und damit um die Zulässigkeit der Klage gegangen. Die Frage, ob der verklagte Verein ein Nutzungsrecht an der »Kadterschmiede« hat, war nicht Gegenstand. Auch an diesem Montag kann die Klägerseite »nicht ausreichend nachweisen, dass sie zum Zeitpunkt des Einspruchs vertretungsberechtigt war«, erklärt Gerichtssprecherin Annette Gabriel.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Für die Klägerin ist eine Berufung vor dem Kammergericht möglich. Theune sagt, die Klägerseite stehe jetzt vor der Alternative: »das Urteil akzeptieren oder den Eigentümer offenlegen«. Die Rechtsanwältin und Bundestagsabgeordnete Canan Bayram (Grüne) spricht von »Eigentumsverschleierung«, da überhaupt nicht klar sei, wer Eigentümerin des Hauses ist. »Ist das schon organisierte Kriminalität?«, fragt Bayram.

»Lafone Investment« und die Kapica-Hausverwaltung sind nicht für Nachfragen erreichbar. Das deckt sich mit der von Theune immer wieder vorgebrachten Feststellung, dass »niemand greifbar, fassbar, ansprechbar« sei.

Die Lage des Gerichts ist geschichtsträchtig. 1968 kam es vor dem Landgericht zu schweren Straßenschlachten zwischen APO und Polizei. Die Dokumentation »Die Schlacht am Tegeler Weg« wurde am Sonntag in der Rigaer Straße 94 gezeigt.

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