»Rassismus ist kein Hobby«

Linkes Bündnis wirft einem Personalrat der Charité Fremdenfeindlichkeit vor

»Ich habe 45 gezählt«, sagt der Polizist über die Teilnehmerzahl. »Ich auch«, bestätigt die Anmelderin der Demonstration vor dem Berliner Virchow-Klinikum. »Na gut, dann dürfen Sie jetzt«, gestattet der Polizist am späten Dienstagnachmittag. Das kleine Megafon wird zur Seite gelegt. Die Reden schallen jetzt über den großen Lautsprecher eines Lastwagens. »Rassismus ist kein Hobby«, lautet einer der ersten Sätze, die über den Augustenburger Platz schallen. Tatsächlich hat Christoph B. - den vollen Namen Christoph Berndt bei der Kundgebung zu nennen, erlaubt die Polizei nicht - ausschließlich in seiner Freizeit getan, was ihm vorgeworfen wird. 2015 sei er im Spreewald, wo er wohnt, erstmals als »rassistischer Redner« hervorgetreten, heißt es.

Christoph Berndt ist Vorsitzender des Vereins »Zukunft Heimat«, der unter anderem Spenden für das Tierheim in Märkisch Buchholz sammelt und mit Radtouren für den Bau eines Radwegs von Zützen nach Golßen kämpft. Der Verein organisierte außerdem zu Jahresbeginn asylfeindliche Kundgebungen in Cottbus. Nachdem es in der Lausitzmetropole gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen gegeben hatte, beteiligten sich an diesen Kundgebungen bis zu 4000 Menschen. Das erregte bundesweit Aufmerksamkeit.

Auf die fremdenfeindlichen Aktivitäten von Christoph Berndt macht mit der Berliner Kundgebung nun das Bündnis »Zukunft für alle« aufmerksam. Mit von der Partie sind beispielsweise die Initiative »Cottbus nazifrei«, der Feministische antifaschistische Arbeitskreis, die Interventionistische Linke und von der Berliner Humboldt-Universität die Studierendengruppe Huuls. Warum demonstrieren sie vor dem Virchow-Klinikum? Christoph Berndt ist als wissenschaftlicher Assistent bei der Universitätsklinik Charité beschäftigt und sitzt im Personalrat, bis 2016 war er zehn Jahre lang sogar hauptamtlicher Vorsitzender dieses Gremiums, das am Charité-Standort Virchow-Klinikum untergebracht ist.

Das Bündnis »Zukunft für alle« verlangt, ihn »wegen seiner rassistischen Umtriebe aus dem Personalrat auszuschließen«. Auf einem vor dem Virchow-Klinikum an Mitarbeiter, Patienten und Besucher verteilten Flugblatt heißt es zur Begründung dieser Forderung: »Wer sich wie Berndt für die Abschottung gegen Geflüchtete einsetzt und rassistische Ressentiments schürt, kann nicht die Rechte aller Beschäftigten an der Charité vertreten.«

Das Problem dabei: Berndt trat in seinem Beruf und in seiner Personalratstätigkeit - nach allem, was bekannt ist - nie als Rassist in Erscheinung. Im Gegenteil: Er habe ausländische Studierende vorbildlich betreut, erzählen Leute, die das beobachtet haben. Zur Belegschaft der Charité gehören Ärzte und Krankenschwestern aus knapp 80 Nationen, darunter auch Nordafrikaner. Berndt hat mit ihnen zu tun - und es gab nie eine Beschwerde, er hätte jemanden diskriminiert oder auch nur herablassend behandelt. Das betont er, und das wird von Kollegen bestätigt.

»Mir wird unterstellt, weil ich eine andere Meinung zur Asylpolitik habe, müsste ich zu den Menschen hier schlecht sein«, beschwert sich Berndt über die Vorwürfe, die das Bündnis »Zukunft für alle« gegen ihn erhebt. Wenn er aber wolle, dass die »unkontrollierte Masseneinwanderung« aufhöre, so sagt Berndt, dann schließe das doch nicht aus, diejenigen fürsorglich zu behandeln, die schon da seien. Die Gewerkschaft könnte ja vor Gericht ziehen, um ihn aus dem Personalrat zu entfernen, sagt Berndt. Aber das tue sie nicht, weil ihm keine Pflichtverletzung nachzuweisen sei.

In Cottbus oder bei Pegida in Dresden erzählt Berndt Dinge wie, das Gebot der christlichen Nächstenliebe gelte nur für das eigene Volk und Kinder und Enkel sollten Europa nicht als »multikulturellen und multikriminellen Alptraum erleben«. Er grüßt den rechten Verleger Götz Kubitschek und den vom Marxisten zum Rechtspopulisten gewendeten Journalisten Jürgen Elsässer. Dem »Staatsfunk« rbb kreidet Berndt an, von einer Gewaltspirale deutscher und ausländischer Täter berichtet und damit Deutschen eine Mitschuld an der Situation in Cottbus gegeben zu haben. Der Verlust an Sicherheit sei aber allein »kriminellen Ausländern« und Politikern zu verdanken, die für Einwanderung werben. Das Publikum grölt dazu »Lügenpresse«, »Abschieben« und »Volksverräter«.

Dennoch herrscht unter Berndts Kollegen in Berlin keine Einigkeit, wie seine politische Meinung zu bewerten sei. Die einen halten keineswegs für rassistisch, was er von sich gibt. Andere sind baff und wollen sich informieren, was er genau in der Lausitz erzähle und mit wem er sich dort umgebe. Einig sind sich die Kollegen, dass Berndt als Mensch und Personalrat in der Charité klug, kompetent und freundlich auftrete.

So erklärt sich, was geschah, nachdem linke Aktivisten im Sommer 2016 ein Transparent an der Charité anbrachten und Flugblätter mit Hintergrundinformationen verteilten. Bereits damals wurde Berndt als »Rassist« und »Hetzer aus dem Spreewald« bezeichnet. Seine Abberufung als Personalratschef wurde verlangt. Doch danach meldeten sich einige Ausländer unter Berndts Kollegen bei ihm und boten ihm Unterstützung an. Sie konnten sich die Anwürfe einfach nicht erklären. Es kursierte das Gerücht, die Gewerkschaft ver.di wolle mit Berndt nur den Kopf einer mit 80 Prozent der Stimmen bei den Personalratswahlen erfolgreichen Konkurrenzliste loswerden. Möglicherweise habe auch die Geschäftsführung insgeheim das Transparent der linken Aktivisten finanziert, um den unbequemen Personalratschef abzusägen.

Nach nd-Informationen agierten die Aktivisten jedoch völlig losgelöst von Gewerkschaft und Chefetage - und sie hatten keinen Erfolg. Denn bei der Personalratswahl 2016 entschieden sich die Beschäftigten, um deren Belange sich Berndt gekümmert hatte, erneut für ihn. Er selbst entschloss sich nach eigenen Angaben aber dagegen, wieder Vorsitzender zu werden. »Ich klebe nicht so an meinem Amt wie Kanzlerin Angela Merkel«, stichelt er. Als einfaches Mitglied gehört Berndt nun bis vorerst 2020 dem Personalrat an.

Darum die Kundgebung auf dem Augustenburger Platz, um noch einmal auf Berndie »Umtriebe« von Berndt aufmerksam zu machen. Die Belegschaft habe offenbar weitgehend immer noch keine Kenntnis davon, bedauert Regina Herbst vom Bündnis »Zukunft für alle«. Damit sich das ändert, verteilt das Bündnis Flugblätter. Die Flüchtlingsselbsthilfeorganisationen »Women in Exile« und »Corasol« helfen dabei. Gemeinsam skandieren alle: »Christoph B., das tut weh. Kein Raum für Rassismus an der Charité«.

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