Griff nach den Sternen

Die bundesdeutschen Wirtschaftsbeziehungen mit China sind bestens / Unternehmen versuchen, Verlust von Patenten zu minimieren

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Der neue Glückspielpartner kommt aus China. Yabo Sports wird zur kommenden Bundesligasaison »offizieller und exklusiver Wettpartner« von Hertha BSC in Asien. Das chinesische Unternehmen lässt sich den Spaß 750 000 Euro im Jahr kosten, heißt es in der Branche. Einige Ligen höher spielt der DAX-Konzern Beiersdorf. Deutschlands führender Konsumgüterhersteller hat vor wenigen Tagen eine strategische Partnerschaft mit China größter Online-Handelsplattform NetEase Kaola geschlossen. Die Allianz eröffnet dem Nivea-Produzenten Zugang zu mehr als 900 Millionen möglicher Kunden. Zwischen der Bundes- und der Volksrepublik herrscht ein Geben und Nehmen.

Das will auf ihrer China-Tour Kanzlerin Angela Merkel befördern. Bei einem Besuch in Shenzhen wird sie einen »Innovation Hub« der dortigen Außenhandelskammer (AHK) eröffnen. Dieser soll den Technologietransfer beflügeln. Shenzhen ist Teil des weltweiten AHK-Netzwerkes, der Schlüsselorganisation für die Vertretung von Wirtschaftsinteressen der Bundesregierung. Mit fünf Hauptbüros sowie acht weiteren Außenstellen in Groß-China (einschließlich Taiwan) werden auch Unternehmensinteressen vor Ort repräsentiert.

Nach dem Arbeitsessen mit Chinas Präsident Xi Jinping wird Merkel zudem ein chinesisches Jungunternehmen und ein Siemens-Werk besichtigen. Begleitet wird sie von einer Wirtschaftsdelegation, deren genaue Zusammensetzung erst nach Reiseantritt bekannt gegeben wird.

Die Wirtschaftsbosse dürften staunen, denn das südchinesische Shenzhen »greift nach den Sternen«, heißt es in der deutschen Außenhandelsgesellschaft GTAI. So baut eine Hongkonger Firma dort einen 670 Meter hohen Wolkenkratzer. Shen-zhen an der Grenze zu Hongkong ist wohl die reichste Stadt der Volksrepublik. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beläuft sich umgerechnet auf 25 000 Euro. Zugleich gilt Shenzhen als Hightechmetropole mit einer dynamischen Start-up-Szene junger Unternehmen.

»Die VR China zählt auch mit niedrigeren Wachstumsraten zu den expansivsten Märkten der Welt«, erläutert eine GTAI-Expertin. Mit 187 Milliarden Euro ist die Volksrepublik der größte Handelspartner Deutschlands und der mit Abstand größte Abnehmer deutscher Waren in Asien.

Dabei ist das deutsche Außenhandelsdefizit im Warenhandel mit China mittlerweile auf 14 Milliarden Euro geschrumpft (USA: 320 Milliarden, EU: 175 Milliarden). Und während der Handelsstreit der Vereinigten Staaten nun Pause macht, weil China sich bereit erklärte, viel mehr Getreide und Energie dort einzukaufen, liegen die deutschen Interessen woanders. China setzt auf Hochtechnologie und zwar vor allem dort, wo die Märkte noch nicht vergeben sind wie bei Künstlicher Intelligenz oder autonomem Fahren. Außerdem will China Dienstleistungen ausbauen und den Binnenkonsum stärken. »Die damit einhergehenden Innovations- und Produktivitätsinitiativen«, so das GTAI, »bieten (beste) Absatzchancen für deutsche Firmen.«

Für Beiersdorf, aber auch Airbus und Daimler gilt die Volksrepublik längst als Schlüsselregion mit eigener Produktion und Vertrieb. Für deutsche Autokonzerne ist sie bereits der größte Markt, produziert wird dafür in Deutschland, USA und zunehmend in China selbst. Nach einer Studie des Branchenverbandes VDA wird die Wertschöpfung in Chinas Automobilwirtschaft bis 2030 von 180 auf rund 310 Milliarden Euro rasant hochfahren.

Doch während Peking strategische Industrien vor ausländischem Zugriff schützen, haben Chinas Firmen hierzulande fast freien Marktzugang. Technologiefirmen sind das Hauptziel: Von 175 Beteiligungen chinesischer Investoren in Deutschland entfielen 112 auf Branchen, die Peking besonders stark ausbauen will, heißt es in einer am Montag vorgestellten Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Auf die Gefahr, in China Patente zu verlieren, stellen sich deutsche Konzerne zunehmend ein. So hat Beiersdorfs mit Kaola einen Partner gefunden, der auf eine sichere Lieferkette setzt, »die das geistige Eigentum der Hersteller schützt« und den Handel gefälschter Waren unterbindet.

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