Irgendetwas mit Deutschland

Die AfD befürchtet, rechtsradikale Gruppen könnten die geplante Demonstration in Berlin als Plattform benutzen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Guido Reil dürfte froh sein, wenn der Sonntag vorbei und alles ohne Pannen oder Zwischenfälle überstanden ist. Irgendwie hatte er sich das Ganze anders vorgestellt: Wenn die AfD am Wochenende vor dem Berliner Hauptbahnhof aufmarschiert, dann ist nach dem offiziellen Wortlaut der Partei von einer »Großdemo« die Rede. Zehntausend Teilnehmer wurden bei der Polizei angemeldet, der Bundesvorstand startete eine deutschlandweite Mobilisierungskampagne. Von Reils ursprünglichen Plänen ist dabei nicht viel übrig geblieben. Der zur AfD übergelaufene Ex-Sozialdemokrat wollte eigentlich eine Demonstration, auf der nicht die Parteifunktionäre im Vordergrund stehen. Seine Idee: Anstatt den üblich verdächtigen Rednern sollten Frauen sprechen, die der AfD nahestehen und diese Positionen auch schon auf der Straße vertraten.

Davon wird am Sonntag fast nichts zu sehen sein: Die neun angekündigten Redebeiträge dürfen sieben Männer und lediglich zwei Frauen halten. Neben Beatrix von Storch soll die bundesweit eher unbekannte Marie-Thérèse Kaiser als Vertreterin der »Merkel muss weg«-Initiative sprechen. Das soll die Nähe der AfD zu unabhängigen Protestvereinigungen auf der Straße zeigen, kommt aber nicht ohne Haken aus. Kaiser ist Parteimitglied und seit April auch im AfD-Kreisvorstand Rotenburg (Wümme) aktiv. Ihr Auftritt am Sonntag könnte indes auch Gruppen zur Teilnahme motivieren, die die Partei zumindest nicht erkennbar dabei haben will. Kaiser teilte in den sozialen Netzwerken wiederholt Beiträge der völkisch-nationalistischen Identitären und steht dieser Gruppe wohlwollend gegenüber.

Anders dagegen die Organisatoren von »Zukunft für Deutschland«, wie der AfD-Aufmarsch offiziell heißt. Symbole des rassistischen Berliner Bündnisses Bärgida sollen während der Demonstration genauso wenig zu sehen sein wie von den Identitären. 100 Ordner sind dafür zuständig, das Verbot durchsetzen. Auch hier gibt sich die Partei pragmatisch: Sollten sich etwa Pegida-Vertreter blicken lassen, dann wäre dies halt so, sagte Reil am Mittwoch auf einer AfD-Pressekonferenz. Dazu könnte es durchaus kommenden, denn das rechte Dresdner Bündnis wirbt im Internet für die Fahrt nach Berlin. Viele andere Gruppen hingegen, mit denen sich die Partei eine Zusammenarbeit wünscht, sagten ihre Unterstützung ab, etwa die rassistische Initiative »Kandel ist überall«, die sich nach dem Tod des Mädchens Mia gegründet hatte. Mit einem Redebeitrag angekündigt ist dagegen die Cottbuser Gruppierung »Zukunft Heimat«. Ansonsten bleibt das offiziellen Rahmenprogramm in den Händen führender AfD-Funktionäre, die mehr oder weniger die unterschiedlichen Zielgruppen der Partei ansprechen sollen.

Ein Problem aus Sicht der Partei wird am Sonntag nicht nur die zu erwartende Zahl an Gegendemonstranten und deren mögliche Störaktionen, sondern auch die Motivation der eigenen Anhänger, auf die Straße zu gehen. An die Zahl von 10.000 Demonstrierenden glaubt keiner mehr richtig. Inzwischen wurde die Messlatte deutlich nach unten gesetzt. Mindestens müssten es 2500 Menschen werden, wobei 5000 ein »großer Erfolg« seien, wie Steffen Königer, Brandenburger Landtagsabgeordneter, einräumt.

Hier zeigt sich ein weiteres Dilemma: Der AfD fehlt es an einem medialen Aufregerthema. Ursprüngliche Planungsspiele gingen zunächst in die Richtung, sich an den zäh verlaufenden Koalitionsverhandlungen im Bund abzuarbeiten und mit der Demo Neuwahlen zu fordern. Doch das war im Frühjahr und hat sich mit der Einigung von Union und SPD auf eine Neuauflage der Großen Koalition erledigt. Und nun? Sehr allgemein gehalten soll es um eine »Abrechnung mit der verantwortungslosen deutschen Politik« gehen. Wirklich mobilisieren lässt sich damit offenbar nicht, zumindest bundesweit. Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang der AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz. Dieser musste nach Bekanntwerden einer internen Mail vor einigen Tagen einräumen, den ersten 30 Parteimitgliedern, die nach Berlin fahren, 50 Euro zu zahlen. Ursprünglich war die Gesamtsumme von 1500 Euro dazu gedacht, eine gemeinsame Busanreise zu organisieren, die allerdings mangels Beteiligung ausfällt.

Wie viele Busse die AfD bundesweit organisiert und voll bekommt, konnte die Partei bei der Pressekonferenz am Mittwoch nicht sagen. Bei anderen Großveranstaltungen und Protesten sind solche Zahlen ein oft erwähntes Werbeargument der Veranstalter, um die eigene Bedeutung hervorzuheben.

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