Tobinsteuer ist überfällig
Martin Ling über die Forderung von Entwicklungsminister Müller
Es war leise um sie geworden: die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer (FTT). Entwicklungsminister Gerd Müller hat sie nun wieder ins Gespräch gebracht. Seine Argumentation ist simpel und richtig: »Mir kann keiner erzählen, dass die Bankentürme in Frankfurt ins Wanken geraten, wenn wir eine Steuer von 0,1 Prozent auf den Handel von Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent auf spekulative Anlagen wie Derivate verlangen.« Nach Schätzungen der UN müsste die Weltgemeinschaft jährlich 90 Milliarden Dollar (77 Milliarden Euro) investieren, damit alle Menschen in Würde leben könnten. Bis zu 60 Milliarden könne die Steuer europaweit einbringen, so Müller im »Tagesspiegel«.
Die Überlegung einer Finanztransaktionssteuer hatte bereits 1972 der radikalen Ansätzen unverdächtige US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger James Tobin aufgebracht. Ihm ging es bei der Tobin-Steuer alias FTT um eine globale Abgabe auf spekulative internationale Devisentransaktionen, um die negativen Folgen der Spekulation auf die Realwirtschaft einzudämmen, weniger um zusätzliche Steuereinnahmen zum Gegensteuern gegen wachsende soziale Ungleichheit.
Erst im Gefolge der Finanzkrise 2008 wurde die Einführung einer FTT über die Kreise der Globalisierungskritiker hinaus hoffähig: Selbst Angela Merkel konnte sich für die Idee erwärmen, freilich ohne mit Nachdruck dafür einzustehen. Dass Müllers begrüßenswerter Vorstoß daran etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Umsteuern ist ihre Sache nicht. Dabei ist genau dies überfällig.
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