Checkpoint Charlie gerät in Bedrängnis

Spät lädt der Senat zur Mitsprache über die künftige Gestaltung eines der wichtigsten historischen Orte der Stadt ein

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin wächst, in der Innenstadt sind Baugrundstücke für Geld und gute Worte kaum zu haben. Doch die Brachen an der Zimmerstraße in Mitte, zu beiden Seiten der Friedrichstraße vis-à-vis dem legendären US-Checkpoint Charlie sind etwas ganz Besonderes. Hierher zieht es seit dem Fall der Berliner Mauer Touristen aus aller Welt. An dieser geschichtsträchtigen Kreuzung bietet sich ihnen einer der raren Anschauungsorte für ihr Interesse an Berlin als Schauplatz des Weltgeschehens zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Kalten Krieges, für die brutale Teilung der Millionenstadt und das tödliche DDR-Grenzregime. Hier, wo heute eine umstrittene Gedenkindustrie den Mythos vermarktet, soll gebaut werden.

Der Kontrollpunkt zwischen dem amerikanischen und dem »demokratischen« Sektor wurde nach der Sicherung der DDR-Staatsgrenze 1961 zum bekanntesten innerstädtischen Grenzübergang. Standen sich an dieser Stelle doch im Oktober 1961 Panzer der Schutzmächte UdSSR und USA drohend gegenüber, erlebte der Ost-West-Konflikt einen der heißesten Höhepunkte. Der Anblick des DDR-Grenzers zwischen den Tanks inmitten des enttrümmerten Ödlands, das der erst 16 Jahre zurückliegende Weltkrieg hinterlassen hatte, hat sich vielen ins Gedächtnis eingebrannt. Und noch immer gibt es diesen besonderen Ort zwischen Kreuzberg und Mitte, noch lässt er sich wiedererkennen. Das könnte sich nun ändern.

2015 hatte der Berliner Investor Trockland die zwei insgesamt 91 000 Quadratmeter großen Flächen gekauft, nun will er sie nach seinen Vorstellungen bebauen. Wo heute falsche Militärpolizisten, Souvenir- und Imbisshändler eine Art Historienrummel betreiben und das Asisi-Mauer-Panorama Besucher das Fürchten lehrt, will der Immobilienentwickler ein »Hard Rock Hotel«, Wohn- und Gewerbeflächen und ein Restaurant bauen. Der Senat will einen Platz für ein Museum des Kalten Krieges sichern. Drei thematische Workshops hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dazu durchführen lassen, der ein breiter Partizipationsprozess folgen sollte. Teilnehmer waren auch Vertreter des Landesdenkmalamtes sowie eine Expertengruppe um den ehemaligen Kultursenator Thomas Flierl (LINKE) und Landeskonservator Jörg Haspel. Gemeinsam war man zu der Einschätzung gelangt, dass es sich »um einen Ort von herausragender gesamtstädtischer, gesamtstaatlicher und weltweiter Ausstrahlung und Bedeutung« handele, der eine durchdachte, ressortübergreifende Strategie benötige.

Doch in einem »Letter of Intent«, einer gemeinsamen Absichtserklärung, haben die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und der Investor bereits vorab wesentliche Eckpunkte festgelegt. Die Experten fürchten nun, dass ihre Stellungnahmen kaum noch Wirkung entfalten und die öffentliche Beteiligung gar zur Farce werden könnte.

Denkmalschützer und Historiker warnen, dass dem Areal durch die geplante »geschlossene Blockrandbebauung« seine einzigartige »räumliche Wirklichkeit« und damit seine Authentizität genommen wird. In einer Stellungnahme fordert die Gruppe um Flierl, Berlin müsse seine eigenen Ziele selbstbewusst formulieren: »Die öffentlichen Interessen müssen Vorrang haben.« Ob sie für ihr Ansinnen, die »archäologischen Spuren« von Krieg und Teilung zu bewahren und die Abkehr von der Blockbebauung durchzusetzen, Zustimmung finden, sollte sich bei einem ersten öffentlichen Forum am Montagabend zeigen.

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