Schutz vor Ausbeutung durch Unternehmen

Neue Vorschriften sollen die Arbeitsbedingungen von entsandten Beschäftigten in der EU verbessern

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.

Bauarbeiter aus Bulgarien oder Erntehelfer aus Polen: Bislang werden sie oft Opfer von extremer Ausbeutung. Die nun überarbeitete Entsenderichtlinie ist ein nach langem Tauziehen von EU-Parlament, EU-Kommission und nationalen Regierungen ausgehandelter Kompromiss und soll Millionen von Menschen, die zum Arbeiten in ein anderes EU-Land entsandt werden, vor gezieltem Lohndumping schützen.

Demnach gelten für entsandte Beschäftigte künftig die gleichen Mindestarbeitsbedingungen wie für alle angestammten Arbeitskräfte im Einsatzland. Ihnen soll nicht nur der jeweilige gesetzliche Mindestlohn, sondern das in Branchentarifverträgen vereinbarte Gehalt zustehen, sofern dies in nationalen Gesetzen ausdrücklich festgehalten ist. Mit der vom Parlament am Dienstag verabschiedeten Richtlinie können entsandte Beschäftigte auch Erschwerniszuschläge, Zulagen für Nachtarbeit oder Reise-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten in Anspruch nehmen. Zuletzt arbeiteten offiziellen Angaben zufolge mehr als zwei Millionen entsandte Kräfte in einem anderen EU-Land, mehr als 400 000 in Deutschland. Für die Umsetzung in nationales Recht haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit.

Während die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) das »Bürokratiemonster« ablehnt, begrüßten Gewerkschaften die neue Richtlinie. »Damit sind innerhalb der EU entsandte ArbeitnehmerInnen besser vor Ausbeutung und Lohnbetrug geschützt und wird Briefkastenfirmen und anderen kriminellen Geschäftemachern das Handwerk erschwert«, erklärte Robert Feiger, Chef der Bauarbeitergewerkschaft IG BAU auf nd-Anfrage.

Bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mischte sich in die Freude auch Wut darüber, dass die Verbesserungen nicht für den internationalen Straßenverkehr gelten. Damit bleiben die vielfach beklagten Arbeits- und Lebensbedingungen für europaweit eingesetzte Lkw- und Fernbusfahrer insbesondere aus Ost- und Südeuropa weiter bestehen. Für sie wird derzeit eine Transportrichtlinie gesondert verhandelt.

Die europäische Linksfraktion hat der neuen Richtlinie dennoch zugestimmt, weil man damit dem Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort näher gekommen sei, wie die GUE-NGL-Vorsitzende Gabi Zimmer gegenüber »nd« erklärte. Vollauf zufrieden ist ihre Fraktion dennoch nicht. Denn Schlupflöcher blieben bestehen. So fielen nicht nur Transportarbeiter raus und seien die Schutzbestimmungen nicht zweifelsfrei rechtlich abgesichert, da Arbeitnehmerrechte nicht denselben Stellenwert wie die Freiheit der Unternehmen hätten. Vielmehr fehlten klare Regelungen für die Unterauftragsvergabe. Genau dies sei in einigen Branchen ein großes Problem, warnt Zimmer, weil Subunternehmen die Vorgaben umgehen könnten.

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