Wassermassen bedrohen Flüchtlingslager

In Bangladesch hat der Monsun begonnen / Hilfswerke warnen vor erneuter Zuspitzung der Rohingya-Krise

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

108 Millimeter Niederschlag in der Region im Cox’s Bazar sind allein von Montag zu Dienstag registriert worden. Der 24-Stunden-Wert ist dabei als nackte Zahl nur ein kleines Segment einer sich rapide zuspitzenden Gesamtsituation. Am Sonnabend setzten die ersten Regen des diesjährigen Monsun ein, seither hält sich die Wolkenwand kontinuierlich. Und geht es nach dem, was die Meteorologen vorauszusagen vermögen, wird der Dauerregen noch bis zum Ende der Woche anhalten.

Während Bangladeschs Bauern das Wasser aus den geöffneten Himmelsschleusen begrüßen, weil ihre Felder dürsten, ist der Regen genau das, vor dem man sich in den Flüchtlingscamps seit Wochen, wenn nicht Monaten gefürchtet hat. Denn die Niederschläge verwandeln diese in Schlammwüsten, sorgen für gefährliche Erdrutsche, machen die Versorgung Hunderttausender notleidender Menschen noch schwieriger als bisher schon. Bangladesch selbst ist mit der Rohingya-Flüchtlingskrise, die seit Ende August über das selbst bitterarme Land hereinbrach, objektiv überfordert, wie auch regierungsamtliche Stellen seit Monaten nicht müde wurden zu betonen.

Gleichwohl hatten die diversen Hilfsorganisationen im engen Zusammenwirken von kleinen Gruppen bis hin zu den UN-Gliederungen es zuletzt geschafft, auf niedrigstem Niveau die Lage stabil und beherrschbar zu halten. Zwar ist es nur eine Art Verwaltung allgegenwärtigen Mangels mit bescheidenen, dafür aber äußerst engagierten Kräften. Doch dass nach den zwischen September und November fast täglich neuen Schreckensmeldungen die humanitäre Notlage in den Rohingya-Flüchtlingslagern nur noch vereinzelt in den weltweiten Medien auftauchte, ist zum Teil auch Ausdruck dessen, dass die Hilfswerke es immerhin geschafft haben, das anfängliche Chaos zu zähmen und Versorgungsroutine einkehren zu lassen. Dieser fragile Status wird von den Regenmassen nun in Frage gestellt.

Seit Monsunstart habe es schon 37 kleinere Erdrutsche gegeben, wird Caroline Gluck, die Sprecherin des Flüchtlingshilfswerkes des Vereinten Nationen (UNHCR) in Bangladesch, von der führenden englischsprachigen Tageszeitung »The Daily Star« zitiert. Nach unterschiedlichen Quellen zwischen 11 000 und 14 000 Bewohner der Flüchtlingslager, die auf besonders gefährdeten Abschnitten hausten, seien mittlerweile umgesiedelt worden. Doch noch immer werden mindestens 30 000 weitere als auf Risikoflächen lebend eingestuft. Von einem »Wettlauf gegen die Zeit« spricht nicht nur die Internationale Organisation für Migration (IOM), ein mit den UN eng verbündetes Hilfswerk. »Die Situation in den Camps wird mit jedem Tropfen, der fällt, noch verzweifelter«, zitiert das UN-Nachrichtenportal IOM-Vertreter Manuel Pereira. Man sei im Gespräch mit den Regierungsstellen, damit diese Ausweichflächen in Tieflandgebieten zur Verfügung stelle. Denn insgesamt gelten in dem bergigen Gebiet, wo die Flüchtlinge derzeit konzentriert sind, sogar bis zu 200 000 Menschen als von Erdrutschen gefährdet. Dass die Helfer in den zurückliegenden Wochen Abhänge verstärkt, Wege befestigt und Gräben zum geregelten Abfließen der Wassermassen ausgehoben haben, reicht für die Monsunzeit nicht aus.

Die Offensive, mit der Myanmars noch immer weitgehend eigenständig agierende Armee Ende August 2017 auf Angriffe von Rebellen der Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) auf 30 Polizeistationen und eine Militärkaserne reagierte, hatte binnen weniger Monate 700 000 der ohnehin verfolgten muslimischen Minderheit zur Flucht getrieben. In Bangladesch sind die Rohingya zwar nur geduldet, doch immerhin fühlen sie sich ihres Lebens sicher. Ungeachtet eines bilateralen Abkommens, das ihre Rückkehr effektiv seit Februar einleiten sollte, weigert sich, von wenigen Hundert Rückkehrern abgesehen, die Masse vorerst, Bangladesch zu verlassen - trotz der prekären Zustände in den Lagern.

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