Konzeptlos in der Dieselkrise

In Nordrhein-Westfalen wissen Kommunen nicht so recht, wie sie mit der Frage der Fahrverbote umgehen sollen

  • Sebastian Weiermann, Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.

In Hamburg gibt es auf Abschnitten der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße seit Ende Mai Fahrverbote für Diesel-Pkw beziehungsweise Lkw, die nicht die Abgasnorm Euro 5 erfüllen. Zahlreiche Ausnahmen machen die Verbote zwar löchrig, aber sie haben die Debatte über die Fahrverbote neu angestoßen. Hamburg wird wahlweise als leuchtendes Vorbild oder als Schreckensszenario genannt.

Dass sich der Druck auf die Kommunen auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) erhöht, ist spätestens seit der vergangenen Woche klar. In Aachen hatte das Verwaltungsgericht nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe entschieden, dass die Stadt die Grenzwerte für Stickstoffoxid schnellstmöglich einhalten müsse und dass dafür ab dem 1. Januar 2019 auch Fahrverbote in Frage kämen. Das Gericht erklärte explizit, Fahrverbote seien »mit hoher Wahrscheinlichkeit das einzig geeignete Mittel, um schnellstmöglich die hier erforderliche Reduzierung der Stickstoffdioxid-Werte« zu erzielen. Das Land NRW und die Stadt Aachen müssten ein Dieselfahrverbot »konkret vorbereiten« und dabei prüfen, ob es wie in Hamburg einzelne Straßen oder ganze Zonen betreffen müsse. Andere Maßnahmen, um die Luftbelastung zu verringern, kann sich das Gericht »nicht vorstellen«.

Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp sieht das ganz anders. Er verweis auf bereits getätigte, wirksame Maßnahmen. Ungeachtet der richterlichen Vorgabe werde man wie geplant vorgehen. Ob Dieselfahrverbote dabei eine Rolle spielen, werde man entscheiden. Auch erwägt die Stadt an der Grenze zu Belgien, Revision gegen das Urteil einzulegen.

Abwarten und Abwägen ist offenbar in Nordrhein-Westfalen die Devise, wenn es um die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte und etwaige Fahrverbote geht. Nach Köln hat die Landeshauptstadt Düsseldorf die schlechteste Luft in NRW. Auf Düsseldorf und Stuttgart bezog sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Februar, das Fahrverbote nahelegt und Urteile wie jetzt beim Landgericht Aachen möglich gemacht hat. Die Stadt am Rhein verweist auf nd-Nachfrage zum Stand der Planungen - wie auch das Landesumweltministerium - auf die Bezirksregierung; die sei für Luftreinhaltepläne zuständig. Dort heißt es, man habe die Urteilsbegründung des Grundsatzurteils vom Bundesverwaltungsgericht erhalten und werde diese nun »sorgfältig prüfen und auswerten«. Vorgaben aus dem Urteil würden in die neuen Luftreinhaltepläne eingearbeitet. Wie lange das dauert? »Können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen«, heißt es von der Bezirksregierung Düsseldorf.

Eine »Konzeptlosigkeit« in der Frage nach Fahrverboten kritisieren die Grünen im Landtag, die das Urteil aus Aachen zum Anlass genommen haben, eine aktuelle Stunde über Fahrverbote und den Umgang der Landesregierung damit zu beantragen. Süffisant sagte Fraktionschef Arndt Klocke zu Beginn der Debatte am Donnerstag, man wolle ja nicht, dass der in Aachen lebende Ministerpräsident Armin Laschet nicht zu den Neujahrsempfängen 2019 erscheinen könne, weil seine Dienstlimousine nicht fahren dürfe. Die Debatte selbst verlief dann erstaunlich entspannt. Bis auf die AfD sind alle Parteien für sauberere Luft. CDU und FDP betonten, dies sei ein längerer Prozess, der mit der Umstellung beispielsweise des ÖPNV einhergehe. Dies dürfe aber nicht auf Kosten der Wirtschaft gehen. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) nannte die Hardware- Nachrüstung von Dieselfahrzeugen den »Optimalfall«; allerdings könnten die Automobilhersteller aus rechtlichen Gründen nicht dazu gezwungen werden.

In der Debatte um die Fahrverbote ist das aber der entscheidende Punkt. Seit Wochen wirbt SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze dafür, eine technische Nachrüstung umzusetzen. Damit kann sie sich in der Bundesregierung aber nicht durchsetzen. Im NRW-Landtag rief der Grüne Arndt Klocke die Landesregierung dazu auf, ihrer Basis zuzuhören: Mehrere Bürgermeister fordern, sie solle sich gegenüber dem Bund dafür stark machen.

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