Peru in schlechter Verfassung

Auch nach dem Präsidentenwechsel im März geht die politische Krise weiter

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

So unbeliebt wie sein Vorgänger Pedro Pablo Kuczynski ist er noch nicht, doch seine Beliebtheitswerte sinken drastisch. Am 11. April bewerteten noch 57 Prozent der Peruaner den im März vereidigten neuen Präsidenten Martin Vizcarra positiv. Am 11. Juni sackte die Zustimmungsquote bereits auf 37 Prozent ab. Die Quittung für einen zaudernden Regierungsstil und die latente politische Krise, an der auch Vizcarra nichts ändern konnte und anscheinend auch nicht wollte, so Carlos Monge vom Natural Resource Governance Institute in Lima.

Das Forschungsinstitut engagiert sich für einen transparenten und effektiven Umgang mit natürlichen Ressourcen und beobachtet genau, wie der Nachfolger des über ein parlamentarisches Misstrauensvotum geschassten Pedro Pablo Kuczynski mit den Problemen des Landes umgeht. »Martin Vizcarra ist zwar viel unterwegs, aber er hat weder die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimaphänomens El Niño im Norden Perus eingeleitet, noch im Parlament Flagge gezeigt«, kritisiert Monge.

Perus Parlament wird von der Fuerza Popular (FP), der Partei von Keiko Fujimori, der Tochter des Ex-Diktators, dominiert. Es wurde in den vergangenen Monaten zur Bühne eines Familienzwists. Keiko Fujimori sorgte dafür, dass ihr jüngerer Bruder Kenji wegen Stimmenkaufs und Korruptionsdelikten Anfang Juni sein Mandat aberkannt wurde. Das Schmierentheater hat dem Kongress in der Bevölkerung viel Vertrauen gekostet, was Umfragen, aber auch die Abgeordnete María Elena Farronda bestätigt. »Wir sind kaum arbeitsfähig, weil die Fujimoristas die Mehrheit innehaben und in allen Kommissionen Vorschläge, die ihnen nicht passen, blockieren können. Wir brauchen eine Verfassungsreform, denn auf eine derartige Situation sind wir nicht vorbereitet«, so die Abgeordnete der Region Ancash.

Farronda sitzt für die linke Frente Amplio im Kongress. Ein lähmendes Problem sei, dass in den Kommissionen, wo die Entscheidungen über wesentliche Projekte fallen, ebenfalls die Fujimoristas die Mehrheit innehaben. Deshalb bleiben Initiativen der Opposition oft auf der Strecke.

Ein anderes Problem sei, dass die Partei Fuerza Popular mit korrupten Abgeordneten durchsetzt ist und die Sicherheitsleute oft einen Geheimdiensthintergrund haben. »Mehrere stammen aus der Ära Montesinos«, so die Abgeordnete, die sich in der Umweltpolitik engagiert. Vladimiro Montesinos war in der Fujimori-Diktatur von 1990 bis 2000 Geheimdienstchef.

In der Umweltpolitik gibt es eine lange Liste von Altlasten - sowohl aus dem Bergbau aber auch im Kontext von Klimaphänomenen, von denen Peru immer wieder getroffen wird. Im Januar und Februar war es der Norden Perus mit den Städten Piura oder Lambayeque; Anfang Juni lebten viele Bewohner immer noch in Notunterkünften.

Das bringt dem amtierenden Präsidenten Martin Vizcarra schlechte Noten ein, und das gleiche gilt für seine zurückhaltende Haltung gegenüber der Fuerza Popular. Gegen mehrere Abgeordnete gibt es zahlreiche Indizien, dass sie Geld gewaschen haben und in den Drogenhandel involviert sind. Die Untätigkeit von Justiz und Regierung sorge für die Verschärfung der Glaubwürdigkeitskrise, der sich die Politik ohnehin gegenüber sehe, analysiert Carlos Monge. »Hinzu kommt, dass es eine immense Diskrepanz zwischen den Wahlversprechen und der Realität gibt.«

Dazu passt, dass in mehreren Bergbauregionen der Notstand ausgerufen wurde, um den Export von Gold, Silber und Kupfer zu sichern - gegen die Proteste der Bevölkerung im Kupferkorridor von Cuzco und Apurimac, zwei der Provinzen Perus. Wenn es Präsident Martin Vizcarra nicht schafft, die Initiative an sich zu ziehen, wird er kaum bis 2021 im Präsidentenpalast überdauern. Dann stehen turnusmäßig die kommenden Präsidentschaftswahlen an. Vizcarra soll eigentlich Peru aus der Krise führen. Doch dafür müsste er mehr Statur zeigen. Seine fallende Beliebtheit sollte ihm als Wink mit dem Zaunpfahl dienen.

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