Ode an das Elend

Europäischer Rat beschließt, Migranten in Lagern zu internieren

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Die Europahymne hat zwar keinen Text. Doch wer das Thema aus dem vierten Satz von Beethovens 9. Sinfonie hört, kommt nicht umhin, an Schillers Worte zu denken:

Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elisium,

Wir betreten feuertrunken,

Himmlische, dein Heiligthum.

Deine Zauber binden wieder,

Was die Mode streng getheilt,

Alle Menschen werden Brüder,

Wo dein sanfter Flügel weilt.

Alle Menschen werden Brüder? Nach dem EU-Gipfel sollen erst einmal all jene, die nunmehr nur als Objekt betrachtet werden - oder wie es Italiens Innenminister ausdrückt, als Menschenfleisch - interniert werden. Am besten so weit weg von den europäischen Grenzen wie möglich. Seit Jahren wird in Europa gekonnt auf der Klaviatur der niedersten Instinkte gespielt, mit Erfolg. Die Ode an die Freude kommt hinter Stacheldraht, die angebliche Grundwertegemeinschaft EU feiert ihre Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner maximal machbarer Inhumanität: interne und externe Lager, weitere Abschottung der Grenzen durch Frontex, weitere enge Zusammenarbeit mit dem rechtsfreien Folterstaat Libyen und dessen »Küstenwache«, Freifahrtschein für die Kriminalisierung von zivilen Seenotrettern.

Nachdem am Freitag in Deutschland die Ergebnisse etwa von der SPD und der CDU für gut befunden wurden, hat wahrscheinlich auch diese Meldung die Freude über die Ergebnisse des EU-Gipfels nicht trüben können: Hundert Vermisste nach Untergang von Flüchtlingsboot vor Libyen. Am Nachmittag vermeldete das UNHCR Libyen den Tod der Menschen. Genau das ist es, was die EU beschlossen hat: Tod und Elend. mdr Seite 5

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal