Ein Etat für die Zeit nach der Wahl

Kabinett billigt den Entwurf des Finanzministers zum Doppelhaushalt 2019/2020

Nicht mehr, aber auch nicht sehr viel weniger als 12,78 Milliarden Euro soll das Land Brandenburg im Jahr 2020 ausgeben - so viel Geld wie noch nie. Darunter fallen beispielsweise 50,1 Millionen Euro Zuschuss für die Hochschulen und 148,8 Millionen Euro für die Ausrüstung der Polizei. So plant es Finanzminister Christian Görke (LINKE), obwohl er nicht versprechen kann, dass er dann noch die Verantwortung für die Kassen des Bundeslandes haben wird. Denn am 1. September 2019 ist Landtagswahl. Dass die rot-rote Koalition noch einmal eine Mehrheit bekommt, ist im Moment unwahrscheinlich. Vielleicht reicht es nicht einmal für Rot-Rot-Grün.

Fakten
  • Im Jahr 2009 hatte das Land Brandenburg 150 Millionen Euro für Kitas ausgegeben, nun sind es 512 Millionen Euro. Allein die gestiegene Kinderzahl sorgte für Mehrausgaben von 180 Millionen Euro. Der übrige Aufwuchs erklärt sich mit der Verkleinerung der Kitagruppen, dem Wegfall der Elternbeiträge für das letzte Jahr vor der Einschulung und anderen Maßnahmen.
  • Im Zusammenhang mit Asylbewerbern rechnet Brandenburg für 2019 mit Ausgaben in Höhe von 336 Millionen Euro, für das Jahr 2020 mit 311 Millionen. Vom Bund erstattet bekommt Brandenburg hier lediglich 71 Millionen beziehungsweise elf Millionen Euro. 2015 hatte das Land 261 Millionen Euro Asylkosten, 2016 waren es 552 Millionen Euro.
  • 2009 hatte Brandenburg noch 1,6 Milliarden Euro Solidarpaktmittel vom Bund erhalten. Die Summe wird sich 2019 bis auf 300 Millionen Euro reduziert haben, und danach gibt es gar nichts mehr.
  • Die Steuereinnahmen Brandenburgs sind seit 2009 von fünf auf neun Milliarden Euro gestiegen.
  • Die Personalausgaben des Landes lagen im Jahr 2010 noch bei 2,6 Milliarden Euro. Im Jahr 2019 müssen für das Personal 3,6 Milliarden Euro aufgewendet werden.
  • Von den Gesamtausgaben in Höhe von 12,52 Milliarden Euro, die für das Jahr 2019 eingeplant sind, kommen 8,3 Milliarden Euro durch Steuern herein und 461 Millionen Euro durch EU-Mittel.
  • In den Rücklagen befinden sich 1,5 Milliarden Euro. Nach der Entnahme von Geldern sollen davon 851 Millionen Euro übrig bleiben.
  • Die Schulden des Landes belaufen sich auf 17,96 Milliarden Euro. Werden 2019 und 2020 Überschüsse erwirtschaftet, soll je die Hälfte der Summe für den Schuldenabbau verwendet werden. af

Dennoch hat der Finanzminister einen Entwurf für den Doppelhaushalt 2019/2020 vorgelegt, der am Dienstag vom Kabinett gebilligt wurde. Wenn der Landtag diesen Etat wie vorgesehen bis Jahresende beschließt, wird es in Brandenburg erstmals einen Doppelhaushalt geben, der über eine laufende Legislaturperiode hinausgreift.

Görke zitiert aus einem Kommentar zum Haushaltsrecht, wonach eine solche Vorgehensweise »ratsam« sei, um Verzögerungen bei einem möglichen Regierungswechsel auszuschließen. Die Hochschulen etwa oder auch Vereine benötigten Planungssicherheit, erklärt Görke. Nach der Landtagswahl 2014 habe er mit Tausenden Einzelfallentscheidungen gearbeitet, bis ein Haushalt aufgestellt gewesen sei. Das sei nicht so günstig. Die Landesverfassung gebe die nun gewählte Vorgehensweise her. Sachsen mache es schon lange so, auch Hessen, und Thüringen habe es vor.

Seine Vorschläge für den Landeshaushalt wären in den groben Linien auch bei einer anderen Zusammensetzung des Landtags mehrheitsfähig, ist Görke überzeugt. Eine andere Koalition könnte aber durchaus noch andere Prioritäten setzen. Sie müsste dazu nur einen Nachtragshaushalt beschließen.

Dennoch beschwert sich der Landtagsabgeordnete Steeven Bretz (CDU): »Wir erleben hier den Versuch der Landesregierung, ihre Politik über den Wahltermin hinaus zu zementieren. Wenn dieser Haushalt beschlossen wird, wären 20 Prozent der kommenden Legislaturperiode politisch besiegelt.« Damit würden Wählerstimmen entwertet, da die Bürger nur noch über die Politik von vier statt von fünf Jahren entscheiden dürften, schimpft Bretz.

Dagegen rühmt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD): »Dieser Haushalt gibt Schwung in das nächste Jahrzehnt.« Es werde ein Jahrzehnt der Investitionen sein, Investitionen in Straßen, Schienen, gute Internetverbindungen und - das sei ihm besonders wichtig - Investitionen in die Köpfe. 48 642 Stellen im Landesdienst soll es im Jahr 2022 geben. Damit hätte die rot-rote Koalition unter dem Strich kein Personal abgebaut. Im Jahr 2009, als die SPD der CDU den Laufpass gab und Rot-Rot an den Start ging, hatte es sogar nur 48 000 Stellen gegeben - jedoch den Plan, aus Kostengründen perspektivisch auf 42 000 herunterzugehen. Das war heiß umstritten. SPD und LINKE haben sich aber Schritt für Schritt von diesem Vorhaben verabschiedet. Es gibt durchaus Bereiche, in denen gekürzt wurde, etwa in der Forstverwaltung. Dafür wurde mehrmals bei der Bildung zugelegt. 16 721 Lehrer waren 2009 beschäftigt, inzwischen sind es 18 764, und im Jahr 2020 werden es 19 274 sein. Das entspricht einem Zuwachs von 15 Prozent, während die Schülerzahl nur leicht um drei Prozent auf rund 260 000 steigt. Die Klassen sind verkleinert worden, die Wochenstundenzahl der Lehrer wurde um eine Stunde abgesenkt.

Keine Veränderung gibt es bei der Personalstärke des Verfassungsschutzes. Da bleibt es bei 94 Planstellen. Die 97 zusätzlichen Stellen, die Finanzminister Görke dem Verantwortungsbereich von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) zubilligte, verteilen sich auf andere Abteilungen in dessen Ressort. Über die von der SPD mehrfach geforderte Aufstockung des Verfassungsschutzes werde zu reden sein, wenn der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags seinen Abschlussbericht samt Empfehlungen vorgelegt hat, sagt Görke. Er hat mit den Ministern, ob sie nun der SPD oder der Linkspartei angehören, hart verhandeln müssen. Es habe angesichts scheinbar reichlicher Steuermehreinnahmen »überbordende Wünsche« gegeben. Das habe eingedampft werden müssen, »aber am Ende gab es nur Sieger«, findet Görke.

Sollte er über das Jahr 2019 hinaus Finanzminister bleiben, so wäre ihm daran gelegen, dass die Investitionsquote oberhalb von zehn Prozent bleibt. Auch wäre mit ihm nicht Schluss bei der Elternbeitragsfreiheit für das letzte Kitajahr vor der Einschulung. Ziel ist die gänzliche Abschaffung der Kitagebühren. Seite 9

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal