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- Repression nach G20
Selektive Rechtssprechung
Sebastian Bähr über die fehlgeschlagene G20-Aufarbeitung
Die Durchführung des G20-Gipfels in Hamburg war die erste Provokation. In der unmittelbaren Nähe des alternativen Viertels einer Großstadt die Autokraten und neoliberalen Verwüster dieser Zeit auflassen lassen, war nach dem Tod des Demonstranten Carlo Giuliani bei den Gipfelprotesten 2001 in Genua mindestens fahrlässig, schlimmstenfalls eine bewusste Machtdemonstration. Den meisten war klar, worauf es hinausläuft, und tatsächlich entpuppte sich das angekündigte »Festival der Demokratie« als Vorgeschmack auf den Ausnahmezustand, die zeitliche und örtliche Aufhebung des Rechtsstaats.
Nun, ein Jahr später, wird deutlich: die offizielle Aufarbeitung der Protesttage ist die zweite Provokation. Demonstranten, Polizei und Kiezjugendliche hatten in jenen Tagen gemeinsam an der Gewaltspirale gedreht, doch bestraft werden einfach nur die Protestierer. Die Behörden, unfähig und unwillig zur Selbstkritik, lenken mit immer neuen Großfahndungen von der eigenen Verantwortung ab. Dass bisher gegen keinen einzigen Beamten Anklage erhoben wurde, ist dabei ein Schlag ins Gesicht unzähliger von Polizeigewalt betroffener Menschen. Die gemachten Erfahrungen Zehntausender Demonstranten und Anwohner passen schlicht nicht in die offizielle Geschichtserzählung.
Der zahme Hamburger Sonderausschuss trägt kaum etwas zur Aufarbeitung bei - der Kampf um Deutungshoheit und Aufklärung geht weiter.
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