Wirtschaftsprüfer steuern die EU

Eine Studie zeigt den Einfluss von PriceWaterhouse Coopers, Deloitte & Co. in Brüssel auf

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

»The Big Four« (»Die Großen Vier«) werden die weltweit führenden und agierenden Wirtschaftsprüfungsunternehmen PriceWaterhouse Coopers (PWC), Deloitte, KPMG und EY genannt. Dabei checken sie nicht nur Bilanzen auf ihre Richtigkeit. Sie machen vor allem auch das: Sie helfen internationalen Konzernen, aggressiv Steuern zu vermeiden. Allein den EU-Staaten gehen dabei Schätzungen des EU-Parlamentes zufolge Einnahmen in Höhe von 160 bis 190 Milliarden Euro jährlich verloren.

»Da die öffentlichen Dienstleistungen durch die Sparpolitik gekürzt werden, haben die fehlenden Milliarden an Steuereinnahmen Auswirkungen auf das tägliche Leben. Sie enthalten dem Gesundheitswesen und den Bildungssystemen dringend benötigtes Geld vor«, heißt es am Ende einer am Dienstag veröffentlichten Studie von Corporate Europe Observatory (CEO). Die Nichtregierungsorganisation beleuchtet darin, welch immensen Einfluss die großen Wirtschaftsprüfer in Brüssel haben. Dabei wird ihnen dieser Einfluss offenbar auch gerne gewährt. Die EU-Kommission gibt bei ihnen ungeachtet ihres Interessenskonflikts regelmäßig Studien und Analysen zum Thema Steuerpolitik in Auftrag. Allein im Januar 2018 erhielten PWC, Deloitte und KPMG dafür Aufträge im Wert von 10,5 Millionen Euro.

Gleichzeitig sind die »Big Four« mit einer Reihe von Lobbyverbänden in Brüssel vertreten - etwa mit ihrem informellen Zusammenschluss, der European Contact Group, oder mit Accoutancy Europe, dem Dachverband der Wirtschaftsprüfer, der sich oft zur Brüsseler Steuerpolitik äußert und auch Gehör findet. Nicht zuletzt durch ständige personelle Seitenwechsel zwischen den EU-Steuerbehörden und den Unternehmen wird die Einflussnahme befördert. Prominentestes Beispiel dafür ist der konservative Brite Jonathan Hill, der nach dem Brexit-Votum als Finanzkommissar zurücktrat und nun als leitender Berater für Deloitte tätig ist. Doch auch am anderen Ende der Karriereleiter übt man schon: So absolvieren laut der Studie Berufseinsteiger abwechselnd Praktika im EU-Parlament, in der Kommission und bei den »Big Four«.

Eine Sache war den Wirtschaftsprüfern bisher vor allem ein Dorn im Auge: das sogenannte Country-by-Country-Reporting, die öffentliche länderbezogene Berichterstattung für große Konzerne. Der Ruf danach wurde besonders laut, nachdem Skandale wie LuxLeaks öffentlich wurden, die aufzeigten, wie große Konzerne mit der Hilfe von Prüfern wie PWC Milliarden an Steuern sparen. Mit dem Country-by-Country-Reporting sollten die internationalen Konzerne nun offenlegen, in welchen Ländern sie wie viel Gewinne machen und wie viel Steuern sie zahlen. Doch ist eine Veröffentlichung nun erst mal vom Tisch.

PWC, Deloitte und Co. intervenierten seinerzeit massiv dagegen. Die EU-Kommission hatte noch nicht ihren Vorschlag vorgelegt, da hatten sich die Wirtschaftsprüfer schon zu Wort gemeldet. EY wollte »wirtschaftlich sensible Informationen« schützen und Deloitte drängte auf einen »freiwilligen Ansatz«. Unterstützung erhielten sie aus Deutschland. Eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung bringe »kaum zusätzlichen Nutzen« und sei »darüber hinaus mit erheblichen Risiken für berichtende Unternehmen verbunden«, hieß es 2016 seitens des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Letztlich verhinderte der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung.

Für Fabio De Masi sind die »Big Four« wie der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz. »Das Prüfungs- und Steuerberatungsgeschäft muss endlich strikt getrennt und schwere Beihilfe zu Steuerhinterziehung hart sanktioniert werden, etwa mit dem Entzug der Geschäftslizenz«, sagt der LINKE-Bundestagsabgeordnete gegenüber »nd«. Als De Masi noch im EU-Parlament war, gab seine Fraktion über die »Big Four« eine Studie in Auftrag. Ergebnis: Die Wirtschaftsprüfer geben in ihren Transparenzberichten nicht das wahre Ausmaß ihrer globalen Geschäfte bekannt und beschäftigen in Steueroasen besonders viele Angestellte. »Sie sind als Experten in EU-Gremien keine ehrlichen Makler, da sie als Dienstleister für große Konzerne Steuerdeals mit Ländern wie Luxemburg aushandeln und schwarze Löcher in die Steuergesetze reißen«, folgert De Masi.

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