»Systematisch Rechtsschutz verwehrt«

Kieler Staatsanwältin droht der Prozess

  • Karen Katzke, Kiel
  • Lesedauer: 2 Min.

Es geht etwa um Löwen, Tiger, Pferde, Hunde, Kaninchen. Eine Kieler Staatsanwältin soll als Dezernentin für Tierschutz das Recht gebeugt haben, als sie Dutzende Tiere - etwa von Zirkussen - beschlagnahmen und notverkaufen ließ. Ihr wird vorgeworfen, die Widerspruchsrechte der Besitzer missachtet zu haben. Tierhalter gingen auf die Barrikaden, Schleswig-Holsteins Justizministerium und Generalstaatsanwalt schritten ein. Der Fall beschäftigte auch Landtagsabgeordnete. Der 42-jährigen Juristin droht ein Prozess.

Die Vorwürfe im Detail: Tiger, Löwen und Krokodile sollen aus Zirkussen abtransportiert und per Notverkauf unter anderem nach Belgien vermittelt worden sein. Auch Rinder, Pferde, Hunde, Kaninchen und Katzen wechselten die Besitzer, ohne dass die Betroffenen Gelegenheit erhielten, dagegen anzugehen. Sie mussten laut Anklage mit ansehen, wie ihre Tiere verladen und weggeschafft wurden - oft unterstützt von einem entsprechenden Polizeiaufgebot. Das im Rechtsstaat zwingend gebotene rechtliche Gehör fanden die Eigentümer demnach nicht.

Auf Anordnung des Generalstaatsanwalts ermitteln Staatsanwälte aus Itzehoe seit 2014 gegen die Beamtin. Sie werfen der Kollegin Rechtsbeugung, Verfolgung Unschuldiger und Diebstahl vor. Für Rechtsbeugung drohen laut Strafgesetzbuch zwischen einem und fünf Jahren Haft. In vier Anklagen trugen die Ermittler bisher zehn Fälle zusammen, sagte Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow. Die Staatsanwältin ist vorläufig des Dienstes enthoben, ihre Bezüge wurden um 25 Prozent gekürzt. Ihre Klage dagegen wies das Verwaltungsgericht Schleswig als unbegründet ab.

In ihrer Entscheidung sind die Verwaltungsrichter sehr deutlich: Es gehöre zu den dienstlichen Pflichten einer Staatsanwältin, Straftaten rechtsstaatlich aufzuklären und Beschuldigten ein neutrales Verfahren zu gewährleisten. Eine Beamtin, die »systematisch verfahrenswidrig Rechtsschutz verwehrt«, um eigene Vorstellungen von Rechtmäßigkeit durchzusetzen, verletze das in sie gesetzte Vertrauen aufs Schwerste.

Nun ist das Kieler Landgericht am Zug. Es muss die Anklagen der Staatsanwaltschaft Itzehoe zulassen, bevor das Hauptverfahren eröffnet werden kann. Doch die Entscheidung zieht sich. Die Prüfung der komplexen Sachverhalte dauere an, sagt Gerichtssprecher Sebastian Pammler auf Anfragen immer wieder. Ein Prozessbeginn noch in diesem Jahr scheint ungewiss: »Ich kann nichts dazu sagen. Haftsachen haben Vorrang«, so Pammler.

Interessant in diesem Zusammenhang: Das Finanzministerium in Schleswig-Holstein hat im Haushaltsentwurf für 2019 den Etat für Abfindungen und Entschädigungen von 450 000 Euro auf fünf Millionen Euro erhöht. Einen Zusammenhang mit Entschädigungsforderungen von Tierbesitzern bestätigte Sprecher Patrick Tiede nicht. Doch die Schadensersatzforderungen an den Staat dürften in die Millionen gehen. Allein ein Züchter aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde, bei dem 88 Pferde beschlagnahmt und verkauft wurden, will Medienberichten zufolge über eine Million Euro verlangen. dpa/nd

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