Zurück nach China

Google und Facebook wollen ihre Dienste trotz Zensur wieder anbieten

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Projekt »Libelle« sollte Google auf den größten Internetmarkt der Welt zurückbringen: China. Doch gegen das umstrittene Vorhaben begehren nun sogar die eigenen Beschäftigten auf. »Dringende moralische und ethische Fragen« melden über 1000 Google-Führungskräfte und Techniker in einem aktuellen Brief an Firmenchef Sundar Pichai an. Anfang August war durchgesickert, dass Pichai eine eigene, zensierte Suchmaschine für den chinesischen Markt entwickeln lässt. Er hatte sich mit Mitgliedern der chinesischen Führung getroffen und dabei offenbar eine Rückkehr auf den lukrativen chinesischen Markt diskutiert.

Google hatte sich 2010 mit fast allen Diensten aus China zurückgezogen. Die Regierung des Landes hatte eine immer striktere Beschränkung der Suchergebnisse auf politisch genehme Inhalte verlangt. Eine Suche nach »Tiananmen-Zwischenfall« geht in China beispielsweise zuverlässig ins Leere oder liefert nur unverfängliche Ergebnisse. Andere Anbieter wie Bing von Microsoft unterwerfen sich bereits den Vorgaben und bieten eine gereinigte Suche an. Google wollte damals jedoch höhere moralische Standards einhalten.

Die Familie von Google-Mitgründer Sergey Brin war 1979 nach zahlreichen Schikanen aus der Sowjetunion ausgereist. Brin wollte daher nicht, dass sich sein Unternehmen an Zensur und Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Das steht sogar in den Statuten des Unternehmens, dessen Motto damals noch »Don’t be evil« lautete.

Genau dieses Motto hat Google in seinem Firmenhandbuch im Mai dieses Jahres abgeschafft und die globale Lage auf dem Markt für Internetwerbung hat sich ebenfalls verändert. Der Umsatz mit Online-Anzeigen liegt in China inzwischen bei knapp 500 Milliarden Yuan (65 Milliarden Euro). Wenn Google weiter wachsen will und die Geschäfte des Unternehmens wirklich die ganze Welt umspannen sollen, dann müsste China mit dabei sein. Deshalb hat Pichai begonnen, die Haltung gegenüber dem Land aufzuweichen. Statt jedoch mit der Kernmarke Google ins Reich der Mitte zurückzukehren, wollte er dort eine neue Seite mit Namen »Libelle« aufbauen lassen.

Auch andere Internetfirmen flirten mit China. Der Aktienkurs von Facebook ist Ende Juli um 20 Prozent abgestürzt, weil das Unternehmen zugeben musste, dass die Zahl der Nutzer nicht mehr so schnell wächst wie früher. Damit hat die simple Feststellung, dass das Wachstum einmal abflacht, den Wert des Unternehmens um 120 Milliarden Dollar verringert. In China finden sich indes noch eine Milliarde Internetnutzer, die noch nicht bei Facebook sind - weil die Seite dort blockiert ist. Firmenchef Mark Zuckerberg hat zudem - anders als Sergey Brin - nur wenig Berührungsängste mit China. Seine Frau ist Chinesin. Auch Facebook stochert derzeit nach Möglichkeiten, dort Dienste anzubieten.

Fragt sich, ob die beiden Unternehmen in China überhaupt willkommen sind. Der Regierung war ihre Abwesenheit völlig recht - und zwar gleich aus zwei Gründen. Einerseits lässt sich lückenlose Netzkontrolle mit einheimischen Firmen leichter umsetzen. Sie sind von Anfang an auf Zensur getrimmt. Peking hat Facebook auch prompt rausgeschmissen, nachdem sich Aktivisten bei Ausschreitungen in der Unruheprovinz Xinjiang 2009 auf der Plattform abgesprochen hatten. Andererseits hat der Ausschluss der internationalen Marken den Aufbau eigener chinesischer Netzfirmen ermöglicht. In Abwesenheit der globalen Konkurrenz sind dort Namen wie Baidu, Sina, QQ, WeChat oder Alibaba hochgekommen. Mit denen sind die Chinesen auch völlig zufrieden.

Der jüngste Anlauf von Facebook in China landete schon nach einem Tag im Graben. Eine Tochtergesellschaft hatte dort zwar auf Provinzebene in der Stadt Hangzhou eine Geschäftslizenz für die Förderung von Start-ups erhalten. Nur 24 Stunden später kassierte die Zentralregierung in Peking die Genehmigung jedoch wieder. Ohne Begründung.

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