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Die liebste Freundin

Goethe und Sylvie - ein Bändchen mit Briefen, Gedichten und anderen Texten erzählt von einer innigen Bindung

  • Klaus Bellin
  • Lesedauer: 2 Min.

Den Sommer 1808 verbrachte Goethe wieder in Karlsbad. Er schrieb an der »Pandora« und den »Wahlverwandtschaften«, genoss »die kleine, aber gute Gesellschaft«, die Gespräche mit Bekannten und die täglichen Spaziergänge. Es regnete oft, aber das konnte seine Stimmung nicht trüben. Meist war ja die »beste Sylvie« an seiner Seite, das allerliebste Wesen, das in jenen Tagen seinen 23. Geburtstag feierte, zu dem Goethe, der am 28. August 59 wurde, ein langes Gedicht beisteuerte. Die Familie von Ziegesar aus Drakendorf bei Jena kannte er schon, als die Schöne mit ihrer »Freundlichkeit und Anmuth« noch gar nicht geboren war. Jetzt, in diesen Karlsbader Tagen, war sie für ihn »Tochter, Freundin, Liebchen«.

Als die Ziegesars weiterzogen nach Franzensbad, packte Goethe seine Sachen und reiste hinterher, um »einige Tage, liebste Freundinn, bey Ihnen zu verweilen«. Fast vierzehn Tage verbrachte man in herzlicher Zuneigung, dann, am 22. Juli, war Goethe zurück in Karlsbad und schickte seiner Sylvie noch am Morgen (»früh sechse«) einen Brief mit der hochgestimmten Schilderung seiner nächtlichen Fahrt: »Ich war in Gedancken bey Ihnen geblieben und merckte nicht daß es fortging …« Die frohen Wochen fanden auch im Herbst, entweder in Drakendorf oder Jena, ihre Fortsetzung, und wenn er auch nicht hoffen konnte, die »geliebteste Sylvie« im folgenden Jahr täglich zu sehen, so wollte er doch jeden Tag in ihrer Nähe »für dreye feiern«.

Die Geschichte dieser Liebe, 1961 erstmals erschienen, hat ein Bändchen der Insel-Bücherei wieder zugänglich gemacht. Paul Raabe hat damals alle Briefe, Tagebuchnotizen, Gedichte und Zeugnisse, die von der Beziehung erzählen, in einer kleinen, knapp kommentierten Dokumentation des Cotta-Verlages gesammelt. Die Neuausgabe verzichtet leider auf die hübschen Illustrationen der alten Edition, aber dass der entzückende Band nun wieder zu haben ist, wird Goethe-Leser sicherlich freuen.

Der Sommer 1808 wiederholte sich nicht. Goethe, seit 1806 verheiratet, zog sich langsam zurück, und wenn er seiner Sylvie schrieb, nannte er meistens die Umstände, warum er das Wiedersehen aufschieben musste. Dennoch ging die tiefe Sympathie, die Verbundenheit nie verloren. »Ewig Ihre Sylvie«, endete ein Brief vom 26. Dezember 1813. Fünf Monate später heiratete sie einen Jenaer Theologen, dessen Name beinahe wie Goethe klang: Friedrich August Koethe. Bei der Geburt des ersten Kindes wurde der Dichter als Pate geladen, und zwei Jahre später, 1817, bat ihn Sylvie noch einmal, zu Ehren ihres Mannes »ein ganz einfaches Mittagessen mit uns einzunehmen«.

Goethe und Sylvie. Briefe, Gedichte, Zeugnisse, hg. von Paul Raabe, Insel-Bücherei, 152 S., geb., 14 €.

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