Irans Parlament setzt Minister ab

Ungewöhnlich emotional wird in Teheran gestritten. Grund ist die Wirtschaftskrise

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Zentrum von Teheran demonstrierten am Sonntag erneut die Händler gegen den Währungsverfall und Devisenmangel, die damit ständig steigenden Preise für Güter, während Lastwagenfahrer mehrere Verkehrsadern in der iranischen Hauptstadt blockierten: Sie werden so gut wie immer pro Fahrt bezahlt, und weil viele Händler kein Geld haben, um Waren zu kaufen, haben die Spediteure weniger Arbeit.

Auch im iranischen Parlament ging es am Sonntag hoch her: Die Volksvertreter, die in Iran sonst nicht für leidenschaftliche Debatten bekannt sind, debattierten kontrovers, oft laut brüllend über die Amtsenthebung des Finanzministers Masud Karbasian. Der 62-jährige Wirtschaftsexperte war vor einem Jahr ernannt worden, um die iranische Wirtschaft nach der Aufhebung eines Großteils der internationalen Sanktionen konkurrenzfähig zu machen. In Politik und Öffentlichkeit war der Glaube an einen wirtschaftlichen Aufschwung damals groß.

Doch nun ist das Gegenteil eingetreten: In Iran herrscht eine schwere Wirtschaftskrise und viele werfen der Regierung von Präsident Hassan Ruhani Versagen vor. Während der Debatte warfen Abgeordnete dem Regierungschef Ruhani vor, den Mund zu voll genommen zu haben. Karbasian wurde als »Dilettant« und »Blender« bezeichnet. Mehrmals kam es während der Debatte zu Handgreiflichkeiten, als Unterstützer Ruhanis versuchten, Rednern das Mikrofon zu entreißen, um das Wort zu ergreifen. Am Ende stimmte das Parlament dann mit 137 zu 121 knapp für die Amtsenthebung Karbasians, während Mitarbeiter der Regierung das Votum mit wütenden Blicken zur Kenntnis nahmen.

In Iran kommt es oft vor, dass Parlamentsabgeordnete Amtsenthebungen beantragen, nur zehn Abgeordnete müssen ein solches Begehren unterstützen. Es ist ein gern genutztes Mittel kleiner Parlamentsgruppen, Forderungen durchzusetzen, für die es keine parlamentarische Mehrheit gibt.

Aber nun haben Amtsenthebungsanträge gleich zwei Mal innerhalb kürzester Zeit auch tatsächlich Erfolg gehabt. Erst vor einigen Wochen hatte das Parlament Arbeitsminister Ali Rabiei abgesetzt. Er ist ein enger Vertrauter Ruhanis und gilt als vehementer Verfechter der nach westlichem Maßstab als neoliberal zu bezeichnenden Wirtschaftspolitik des Präsidenten.

»Wir verstehen die Kritik und wir begrüßen es, dass Politiker und Öffentlichkeit Kritik äußern«, sagte ein Sprecher Ruhanis. »Aber wir sind auch sehr besorgt, dass die Stabilität des Landes leiden könnte.« Denn mittlerweile gilt es als durchaus möglich, dass auch Ruhani ein Amtsenthebungsverfahren treffen könnte. Am Sonntag bestellte das Parlament per Mehrheitsbeschluss Ruhani zu einer Fragestunde ein - sie ist Bedingung für die Einreichung eines Amtsenthebungsantrages, dem allerdings auch Ajatollah Ali Khamenei zustimmen müsste. Für die Amtsenthebung wäre eine einfache Mehrheit erforderlich.

Ruhani selbst gibt indes vor allem öffentlich den Revolutionsgarden die Schuld an der Krise: Sie hätten das Atomabkommen dazu genutzt, um ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss zu vergrößern. Am Montag erklärte Ali Jafari, Kommandeur der Pasdaran, selbstbewusst, man sei der »alleinige Herrscher« über die Straße von Hormuz, einer Meerenge an der Ausfahrt des Persischen Golfs, durch die 25 Prozent der weltweiten Öltransporte zur See abgewickelt werden.

Ruhanis Regierung setzt indes auf Diplomatie, um Wege aus der Krise zu finden. Gerne möchte man die Verhandlungen mit den Europäern beschleunigen, heißt es aus Teheran. Zudem verhandelt der Internationale Gerichtshof seit Montag über eine Klage Irans gegen die US-Sanktionen. Die Verstoßen nach iranischer Lesart gegen ein 1955 geschlossenes Freundschaftsabkommen zwischen Iran und den USA, so Mohsen Mohebi, Anwalt des Iran. Der bezichtigt in seiner Argumentation die USA, mit Falschbehauptungen zu argumentieren. Der Iran habe sich an seine Verpflichtungen gehalten: »Diese Sanktionen sind nichts weiter als eine nackte Wirtschaftsaggression«, so Mohebi.

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