Suche nach der großen Lösung

Über Ideen für Gaza und Gerüchte über den Gesundheitszustand von Abbas

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.

Mal schüttelt er Vertretern der bosnischen Regierung die Hände, mal sitzt er mit israelischen Akademikern beisammen: Betont oft zeigt sich der palästinensische Präsident Mahmud Abbas derzeit in der Öffentlichkeit, während seine Mitarbeiter nicht müde werden zu betonen, dass es ihm gut geht, er Herr seiner Sinne im Allgemeinen und der Lage im Besonderen sei.

Doch die Gerüchte bekommen sie trotzdem nicht weg: Abbas leide unter Gedächtnisschwund, erkenne oft auch enge Mitarbeiter nicht mehr, berichtete der israelische Fernsehsender Arutz 10, und palästinensische Medien berichteten bereits seit Monaten von häufigen Arztbesuchen, langen Krankenhausaufenthalten. Und immer wieder wird dann auch darüber spekuliert, was eigentlich nach Abbas passieren wird.

Denn 13 Jahre, nachdem er 2005 zum Präsidenten gewählt wurde, zwölf Jahre, nachdem ein Parlament gewählt wurde, in dem die mit seiner Fatah-Fraktion verfeindete Hamas die stärkste Fraktion stellte, und elf Jahre, nachdem diese Hamas dann in Gaza nach bürgerkriegsähnlichen Kämpfen die Macht ergriff, ist immer noch so gut wie alles ungeklärt.

Seit dem Beginn der Proteste am Grenzzaun in Gaza im Frühjahr, den mit Brandsätzen bestückten Winddrachen, die man im Sommer vom Gazastreifen aus aufsteigen ließ, und den israelischen Luftangriffen versuchen Vertreter der ägyptischen Regierung und der Vereinten Nationen, eine dauerhafte Lösung zwischen den Konfliktparteien auszuhandeln. »Wir brauchen eine ganzheitliche Lösung, die nicht nur den Konflikt zwischen Israel und der Hamas, sondern auch die innerpalästinensischen Konflikte umfasst« sagt Nikolai Mladenow, der UNO-Sondergesandte für den Nahost-Friedensprozess.

Ideen liegen dabei mittlerweile recht viele auf dem Tisch: Auf Zypern könnte ein Hafen entstehen, in dem Güter für den Gazastreifen abgefertigt und dann dorthin transportiert werden. Anfang der Woche bot Israels Regierung auch den Bau eines Flughafens an, der den Flugverkehr für Gaza abwickeln, aber außerhalb des Landstrichs liegen würde. Die Vertreter zeigten sich aufgeschlossen, dringend müssen dort die Lebensbedingungen verbessern.

Doch vor allem Abbas ist dagegen: Die Hamas versuche, die palästinensische Regierung zu marginalisieren. »Die einzige legitime, vom Volk gewählte Vertretung der Palästinenser sind wir«, sagt er am Rande eines Treffens mit israelischen Akademikern. Nur, Abbas’ Amtszeit ist 2009 abgelaufen, die Legislaturperiode des Parlaments, dass allerdings nur sehr selten tagte, endete 2010. Wahlen waren zwar immer wieder mal angekündigt, aber dann wieder abgesagt worden.

Auch deshalb würden die Verhandlungen derzeit mit großem Druck geführt, sagt ein israelischer Diplomat in Kairo. Lange Zeit habe sich Israels Regierung gegen Wahlen gesperrt, aus Sorge, die Hamas könne die Mehrheit gewinnen, gar den Präsidenten spielen. »Es war ein Automatismus zu glauben, dass die Hamas schon weg geht, wenn man sie nur ignoriert,« so der Diplomat: »Nun haben wir eine Situation, in der der palästinensische Präsident jederzeit abtreten könnte. Und wir wissen nicht, was dann passiert. Wir stehen unter Zugzwang.«

Mittlerweile hat Israels Verteidigungsminister Avigdor Liebermann deshalb sogar die Regierung Katars mit ins Boot geholt, die Beziehungen zur Hamas und zur palästinensischen Regierung unterhält. Lange Zeit war das Politbüro der Organisation in Doha angesiedelt. Nun soll Katar seine Projekte in Gaza massiv ausweiten und den eigenen Einfluss dazu nutzen, um eine Einheitsregierung in Palästina und Wahlen durchzusetzen.

Mehrmals war eine solche Einheitsregierung in den vergangenen Jahren vereinbart und dann nie umgesetzt worden. Und auch jetzt wieder macht Abbas deutlich, Einheit könne nur herrschen, wenn sich die Hamas aus Gaza zurück ziehe, und Wahlen halte er derzeit für nicht umsetzbar: »Dies ist nicht die Zeit dafür.«

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