Trauerredner: Künstlersozialkasse muss sie aufnehmen

  • Lesedauer: 2 Min.
Die Frau hatte zwar ein Lehramtsstudium abgeschlossen, diesen Beruf aber nicht ausgeübt. Sie trat stattdessen als Sängerin und Schauspielerin an deutschen Theatern auf. Bevor sie sich als Trauerrednerin selbstständig machte, hatte die Frau als Trauerberaterin für ein Bestattungsinstitut gearbeitet. Im Mai 1999 beantragte die Trauerrednerin bei der Künstlersozialkasse, ihre Versicherungspflicht als Texterin bzw. Publizistin festzustellen. Hintergrund: Selbstständige Künstler und Publizisten sind in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung zu versichern, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit auf Dauer erwerbsmäßig ausüben. Die Künstlersozialkasse lehnte es ab, die Trauerrednerin aufzunehmen: Trauerreden seien keine künstlerische Leistung im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes - dass die ehemalige Sängerin gelegentlich Beerdigungen mit Gesang begleite, ändere daran nichts. Als Publizistin sei sie auch nicht anzuerkennen, weil ihre Texte nicht veröffentlicht würden. Das Bundessozialgericht beurteilte die Tätigkeit anders. Der Begriff des Publizisten sei weit auszulegen, um dem sozialen Schutzbedürfnis der betroffenen Personen gerecht zu werden: Der Gesetzgeber habe den Kreis der Versicherungspflichtigen nicht auf Journalisten im »klassischen« Sinn beschränken wollen. Die zentrale Frage sei, wie man »Öffentlichkeit« definiere, denn der Begriff »Publizist« gehe auf das Wort »publicare« (= veröffentlichen) zurück. Schreibe eine Trauerrednerin also für die Öffentlichkeit? Ihre Reden seien für eine Mehrzahl von Personen bestimmt. Dieser Personenkreis sei nicht von vornherein auf Familienangehörige eines Verstorbenen beschränkt. Vielmehr würden alle angesprochen, die sich bemüßigt fühlten, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Trauerredner seien deshalb in die Künstlersozialversicherung einzubeziehen: Immerhin handle es sich um Personen, die in der Lage seien, auf ihre Fähigkeit zur öffentlichen Rede eine freiberufliche wirtschaftliche Existenz zu gründen. Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. März 2006 - B 3 KR 9/05 R

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -