Heißer Streit um Hitzepausen

Playmobil will IG-Metall-Betriebsräte loswerden - mit Hilfe anderer Betriebsratsmitglieder

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der heiße Sommer hat für Betriebsräte beim Playmobil-Hersteller Geobra Brandstätter im fränkischen Zirndorf ein hitziges Nachspiel: Das Unternehmen ist vor das Arbeitsgericht Nürnberg gezogen, um acht Gewerkschaftsmitglieder der IG Metall aus dem Betriebsrat auszuschließen - wegen grober Pflichtverletzung. Sie sollen während der Hitzeperiode eigenmächtig zu zehnminütigen Arbeitsunterbrechungen aufgerufen haben. Die Betriebsratsmitglieder bestreiten das. Ein Gütetermin am Montag ging ohne eine Einigung zu Ende. Nun wollen die Arbeitsrichter im kommenden Januar eine Entscheidung treffen.

Die IG-Metall-Betriebsräte hatten in der Werkhalle des Playmobil-Herstellers in Dietenhofen im Sommer nach eigenen Angaben über 37 Grad gemessen. Sie informierten die Beschäftigten per Aushang über ihre Rechte - etwa auf regelmäßige »Entwärmungsphasen«. Dabei haben die IG-Metall-Betriebsräte aus ihrer Sicht nur »ihren Job gemacht«, denn der Betriebsrat ist per Gesetz verpflichtet, darüber zu wachen, dass Arbeitnehmerrechte durchgesetzt werden.

Welche Regeln Unternehmer hinsichtlich der Temperaturen im Betrieb einzuhalten haben, ist in der Arbeitsstättenrichtlinie vermerkt. Diese schreibt vor, dass die Raumtemperatur nicht über 26 Grad steigen sollte, um Gesundheitsgefährdungen der Mitarbeiter zu vermeiden. Bei 30 Grad und mehr ist das Unternehmen verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, also etwa Wasser bereitzustellen, Bekleidungsregeln zu lockern oder Gleitzeitregelungen anzubieten, damit die Beschäftigten in weniger heiße Tageszeiten ausweichen können. Wird es heißer als 35 Grad, »ist der Raum für die Zeit der Überschreitung ohne organisatorische Maßnahmen (zum Beispiel Entwärmungsphasen) nicht als Arbeitsraum geeignet«.

In dem Aufruf der Betriebsräte zu Entwärmungsphasen sieht Playmobil nun einen eigenmächtigen »Eingriff in die Produktionsabläufe«. Es könne nicht angehen, so ein Sprecher, jede Stunde eine Hitzepause zu machen. Die von den Metallern angegebenen Temperaturen seien »subjektive Werte«, das Unternehmen habe entsprechende Hitzemaßnahmen getroffen. Die Betriebsräte bestreiten das: »Die Maßnahmen sehen in etwa so aus: In der Montagehalle sind die Griffe von den Fenstern abmontiert -‚ weil sonst die Waage am Band spinnt, heißt es. Ein Beschäftigter, der einen Löschwasser-Hydranten aufdrehte, um sich selbst zu helfen, wurde kurzerhand gefeuert. Dabei haben sie das in den letzten Jahren immer so gemacht, wenn die Hitze bei Playmobil mal wieder unerträglich wurde.«

Das Unternehmen sieht jedoch das Vertrauensverhältnis zu den Betriebsräten derart beschädigt, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei. Das Pikante an der Angelegenheit: Der 21-köpfige Betriebsrat ist gespalten. Neben den Mitgliedern der IG Metall sitzen darin auch Vertreter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Ein Teil des Betriebsrates wird nun von den Metallern als »arbeitgeberhörige Opposition im Betriebsrat« bezeichnet, die die Anträge auf Maßnahmen gegen die Hitze blockiert habe. »In fast gleichlautenden Aushängen wandten sich Geschäftsführung und hörige Betriebsräte an die Belegschaft, in denen sie den IG-Metall-Betriebsräten Unverständnis und eigenmächtiges Handeln vorwerfen«, klagen die Metaller.

Die Auseinandersetzung um Hitzefrei bei dem Playmobil-Hersteller ist der jüngste Akt eines schon länger laufenden Betriebskampfes. Im Juni 2016 ging die IG Metall mit neun von 21 Mandaten als stärkste Kraft bei den Betriebsratswahlen hervor. Völlig überraschend für die Gewerkschafter hatte Geobra Brandstätter allerdings im Mai 2016 den Beitritt zum Arbeitgeberverband der Kunststoffverarbeitenden Industrie angekündigt. Für die IG Metall ein »taktischer Schachzug, um den für die Spielwarenindustrie gültigen Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie zu unterlaufen und während des Wahlzeitraumes eine andere Gewerkschaft im Unternehmen zu platzieren«. Seit ihrer Wahl würden die IG-Metall-Kollegen schikaniert.

»Es ist beschämend, wenn ein Spielwarenhersteller die Beschäftigten und Betriebsräte selbst nur als Spielzeug betrachtet und die gesetzlich garantierte Mitbestimmung angreift«, kritisiert der Bezirksleiter der IG Metall in Bayern, Jürgen Wechsler. »Die Klage gegen die IG Metall im Betrieb ist ein Skandal. Und die unentwegten Angriffe und Abmahnungen sind ein unakzeptabler Fall von Union Busting. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen auch bei Playmobil gelten.« Die Industriegewerkschaft BCE war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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