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Schulrevolution von unten

Sächsisches Bündnis sammelt Unterschriften für Volksantrag zu Gemeinschaftsschulen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Unterschriftenbogen für den Volksantrag zur Einführung einer Gemeinschaftsschule in Sachsen hat es in sich. Er enthält eine Tabelle, in der jeweils fünf Unterstützer des Anliegens ihre persönlichen Angaben eintragen können. Untrennbar damit verbunden sind drei Blätter, die vorn und hinten eng bedruckt sind mit dem entsprechenden Gesetzentwurf und den Erläuterungen dazu. Online unterschreiben kann man für die Initiative nicht. Das Gesetz über Volksanträge in Sachsen sei »aus den 90er Jahren«, sagt Michael Becker vom »Bündnis Gemeinschaftsschulen Sachsen«: »Wir müssen alles schriftlich machen.«

Also werden ab heute Unterschriften gesammelt - für ein Anliegen, das im starren sächsischen Schulsystem einer kleinen Revolution gleichkäme. Seit 1990 werden im Freistaat Schüler nach der 4. Klasse aufgeteilt zwischen Gymnasium und einer Schulform, die lange Mittelschule heißt und vor einigen Jahren als »Oberschule« ein wenig aufgehübscht wurde.

Alle Versuche, die Separation auch nur aufzuweichen, prallten an der CDU ab. Als diese 2004 erstmals einen Koalitionspartner brauchte und bei der SPD landete, setzte diese durch, dass zumindest Modellversuche zugelassen wurden. Ganze neun gab es; heute sind in staatlicher Trägerschaft noch die Nachbarschaftsschule Leipzig und das Chemnitzer Schulmodell übrig.

Die Sachsen wünschen sich mehrheitlich, dass es anders wäre. Der Unterschriftenbogen zitiert eine Emnid-Umfrage von 2017, derzufolge zwei Drittel der Sachsen Gemeinschaftsschulen befürworten. Viele dürften die Argumente teilen, die auf dem Bogen genannt werden: die »enorme Unsicherheit« einer Prognose, die Kinder im Alter von zehn Jahren betreffe, aber Auswirkungen auf das gesamte Leben habe; oder den »verstärkten Schulstress«, den die wichtige Weichenstellung vorab bewirke. Könnten sie bis zur 10. oder 12. Klasse in einer Schule bleiben, die alle Abschlüsse biete, würde das, so sagt Becker, »viel mehr Ruhe reinbringen«.

Um nicht zu viel Unruhe in das sächsische Schulsystem zu bringen, hat sich das Bündnis für eine sanfte Form der Revolution entschieden. Gemeinschaftsschulen sollen nur dort gebildet werden, wo das die Schulkonferenz aus Schülern, Eltern und Lehrern sowie der Schulträger, also die Kommune, wünschen. Es sei eine »besondere Qualität, dass die Schulen selbst entscheiden«, sagt Burkhard Naumann, Koordinator des Bündnisses. Er betont auch, dass Gemeinschaftsschulen im Rest der Bundesrepublik nichts Exotisches sind: Es gebe sie in zehn Bundesländern; laut Statistischem Bundesamt lernen dort zehn Prozent aller Schüler. In Europa, fügt er an, »ist das quasi Standard«.

Damit sich Sachsens Landtag mit dem Anliegen zumindest befasst, müssen 40 000 Menschen unterschreiben. Das können sie landesweit in 100 Büros. Diese gehören meist Institutionen, die das Bündnis unterstützen, wie Gewerkschaften und Parteien. Unter ihnen ist neben LINKE und Grünen auch die SPD, obwohl diese derzeit wieder mit der CDU koaliert. Genügend Unterschriften sollen bis Weihnachten vorliegen, sagt Naumann; der Landtag solle sich 2019 mit dem Thema befassen. Dass im Herbst eine Landtagswahl ansteht, sei dabei kein Problem, fügt er an: »Ein Volksantrag bleibt auch über das Ende der Legislaturperiode hinaus auf der Tagesordnung.«

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