Berliner Biedermänner

  • Lesedauer: 2 Min.

Im beschaulichen Berliner Stadtteil Buchholz hat sich eine Art Bürgerwehr gegründet, die nach eigener Aussage gar keine Bürgerwehr sein will. In Autos, die denen der Polizei ähneln, fahren sie durch den Straßen und sehen dort nach dem Rechten. Die Sicherheit ihrer Mitmenschen ist ihnen eine Herzensangelegenheit. Man berät die Bürger, wie sie sich vor Einbrüchen schützen können, informiert über sichere Schulwege, bietet Aktionen für Verkehrssicherheit - »besonders für Kinder und ältere Menschen« - an und hält Vorträge und Schulungen »zum Erkennen von Straftaten und Gefahrenlagen«.

Die Bürgerwehr, die keine sein will, nennt sich »Buchholzer Sicherheit«, abgekürzt: BuSi. Das klingt harmlos, ist es sicherlich (!) auch, denn in Buchholz ist es gar nicht so unsicher; laut Statistik ist der Ortsteil im eh’ schon kaum kriminalitätsbelasteten Bezirk Pankow der mit mit den zweitwenigsten Straftaten.

Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um. Gemeint ist damit, dass man die Gefahr nur überwinden kann, wenn man sich der Angst vor ihr stellt. Die größte Angst vor der Gefahr hatten aber schon immer jene, die am wenigsten zu befürchten hatten. Kommt die Gefahr aber näher, greift sie nach ihnen, ignorieren sie diese. Max Frischs »Biedermann und die Brandstifter« ist eine Parabel auf diese Sorte Mensch. Die Brandstifter dringen in das Haus des Fabrikanten Biedermann ein, machen keinen Hehl daraus, dass sie beabsichtigen, es abzufackeln - schließlich führen sie Zündholz und Benzinkanister mit -, und Biedermann ignoriert nicht nur die Gefahr, er gibt ihr sogar Obdach und beköstigt sie, während er sich gleichzeitig über die vielen Brandstiftungen in der Nachbarschaft und den Leichtsinn seiner Mitbürger echauffiert.

In Berlin-Buchholz haben sie Angst vor den Einbrechern, vor unsicheren Schulwegen und davor, Straftaten nicht zu erkennen. Die Brandstifter in ihren nachgemachten Polizeiwagen aber sind schon auf dem Weg zu ihnen. jam Foto: pixabay

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal