Kein schnelles Durchwinken Kavanaughs

Trump ordnete einwöchige FBI-Untersuchung von Missbrauchsvorwürfen gegen Kandidaten für Supreme Court an

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.

Die überraschende Wende im Bestätigungsverfahren des Richters Brett Kavanaugh für das Oberste Gericht der USA ist den Protesten empörter Frauen im und vor dem Washingtoner Senatsgebäude zuzuschreiben. Am Donnerstag hatte die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford vor dem Justizausschuss ihre Vorwürfe, Donald Trumps Richterkandidat habe sie zu Highschool-Zeiten zu vergewaltigen versucht, bis ins Detail erläutert. Der Beschuldigte reagierte in der darauf folgenden Anhörung aggressiv, ausweichend und weinerlich.

Tags darauf sprach sich der republikanische Senator aus Arizona, Jeff Flake, nach langem Schweigen für eine Untersuchung der Vorwürfe durch die Bundespolizei FBI aus. Zwar stimmte er dafür, dem gesamten Senat eine Bestätigung Kavanaughs zu empfehlen - doch unter dem Vorbehalt, dass er nur ein Ja nach einer einwöchigen FBI-Untersuchung abgeben werde. Flakes Forderung schlossen sich die beiden republikanischen Senatorinnen Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska an. Da im Senat dadurch nicht mehr genug Stimmen für das schnelle Durchwinken Kavanaughs vorhanden waren, beugte sich überraschend auch Trump. Er ordnete die zeitlich begrenzte FBI-Untersuchung an.

Das Einlenken Flakes, der Trump mitunter kritisiert hat, ist nicht zuletzt auf zwei Frauen zurückzuführen, die ihn im Senatsgebäude live vor laufenden Kameras lautstark kritisierten. Eine von beiden, Maria Gallagher, hatte ihm entgegengehalten: »Ich wurde sexuell missbraucht, und niemand glaubte mir. Sie sagen den Frauen, dass sie wertlos sind und bloß weiter den Mund halten sollen.« Gallagher forderte den betreten dreischauenden Senator dann auf: »Schauen Sie mir gefälligst in die Augen, wenn ich mit Ihnen rede«. Auch die amerikanische Anwaltskammer, die Kavanaugh ursprünglich unterstützt hatte, fordert die Aussetzung des Bestätigungsverfahrens und eine Untersuchung.

Nach der Wahl von Donald Trump und Republikanermehrheiten im Senat wie im Repräsentantenhaus wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch im Obersten Gericht die Balance zugunsten der ultrakonservativen Rechten verschieben würde - und das auf die Dauer von vielen Jahren. Nach dem Rücktritt des 82-jährigen Richters Anthony Kennedy im Juni dieses Jahres eröffnete sich für die Rechten endlich die seit langem erhoffte Gelegenheit: eine konservative Dauermehrheit auch im obersten Gericht durchboxen, so schnell wie möglich und vor den Zwischenwahlen im November. Denn ein Richter im Supreme Court hat seinen Posten - einmal nominiert und vom Kongress bestätigt - auf Lebenszeit inne. Die Macht des Gerichts, das folgenreichende Grundsatzentscheidungen trifft, rührt an den Kern der US-Gesellschaft.

Den Protesten im und vor dem Washingtoner Senatsgebäude hatten sich auch linke Feministinnen angeschlossen. Christine Riddiough, die zum Leitungsgremium der größten sozialistischen Organisation »Democratic Socalists of America« gehört, sagte beispielsweise, Kavanaugh habe von der Highschool an über seine Zeit an der Universität bis heute aus seiner Frauenverachtung keinen Hehl gemacht. Als Richter am Obersten Gericht würde er seine Ablehnung von Frauenrechten fortsetzen, seien dies »Rechte im Reproduktionsbereich, am Arbeitsplatz oder im Alltag«, so Riddiogh. Sie wurde dann wie Dutzende andere festgenommen.

Der New Yorker Menschenrechtsanwalt und Autor Chase Madar warnte im Gespräch mit »nd« davor, allzu großes Vertrauen in die Bundespolizei FBI zu setzen. Von ihr sei kein endgültiges Beweismaterial zu erwarten, das die öffentliche Meinung und die Haltung der Republikaner zuungunsten des rechten Richters verändern werde. Schlimmstenfalls würden uneindeutige Ergebnisse binnen einer Woche die bisher schwankenden Senatoren für Kavanaugh einnehmen. Allerdings stelle der Zeitgewinn eine Gelegenheit dar, mit Anrufen bei Senatoren und weiteren Demonstrationen mehr Druck aufzubauen. Unterdessen forderte am Samstag der linke Senator aus Vermont, Bernie Sanders, in einem Brief an den Justizausschuss, die Ermittlungen gegen Kavanaugh unter anderem wegen Meineids auszuweiten.

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