• Politik
  • Seenotrettung im Mittelmeer

Todesrate auf dem Mittelmeer so hoch wie nie

Die Blockade der Häfen durch die italienische Regierung lässt die Todeszahlen im Mittelmeer steigen.

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Matteo Salvini von der strammrechten Lega-Partei im Juni diesen Jahres als Innenminister im Amt ist, ist privaten Hilfsschiffen und auch denen aus der Berufsschifffahrt, die Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet hatten, die Einfahrt in italienische Häfen verboten.

Die Konsequenzen dieser Politik sind tödlich: In den vier Monaten seit Salvini als Innenminister regiert, sind die Todeszahlen gestiegen – auf 8 Tote am Tag. Unter der Vorgängerregierung lag die Quote bei 3.2 Toten am Tag, wie eine Auswertung der Daten durch das Italienischen Institut für internationale Politik ergab.

Diesen Trend bestätigen auch andere Zahlen. Laut der Internationalen Organisation für Migration sind im September 19 Prozent der Menschen, die über das Mittelmeer geflohen sind, bei dem Versuch ertrunken. Jeder Fünfte. Es ist die höchste Todesrate, seit es verlässliche Daten gibt.

Es gibt ein Problem mit diesen Daten, sagte Matteo Villa, der die Daten der IMO mit dem Italienischen Institut für internationale Politik ausgewertet hat, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Sie sind nur ein Minimalwert, die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Die fehlende Präsenz von Schiffen führt dazu, dass weniger Tote registriert werden, das Sterben im Mittelmeer wird zunehmend unsichtbar.

Eine nd-Recherche erhärtet diesen Verdacht. Von 1535 bis Ende August im Mittelmeer gestorbenen Menschen sind 383 von Nichtregierungsorganisationen gemeldet worden. Das sind ca. 25 Prozent. Die Zahl geht aus Daten der IOM hervor, die dem »nd« exklusiv vorliegen.

Lesen Sie dazu: »… niemand soll es mitbekommen.« Die Abwesenheit von Rettern könnte für geringere Todeszahlen sorgen - in der Statistik

Aktuell befinden sich keine zivilen Seenotrettungsschiffe mehr vor der Küste Libyens. Die »Aquarius« wurde nach Druck der italienischen Regierung auf Panama die Flagge entzogen. Sie liegt jetzt im Hafen von Marseille. Wer nun das Ende der humanitären Seenotrettung beschwört, der irrt. Denn selbst unter den erschwerten Umständen werden die Organisationen weiter in See stechen. »Weil alles besser ist, als wenn die Leute ertrinken«, wie Claus-Peter Reich, Kapitän der »Lifeline« kürzlich im nd-Interview bekräftigte.

Für Salvini zahlt sich die Repression gegen über den Seenotrettern aber offenbar aus. Während 80 Prozent weniger Menschen in Italien angekommen sind, als noch im Jahr davor, haben sich die Zustimmungswerte für seine Partei seit den Wahlen im März beinahe verdoppelt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal