»Da ist eine seltsame Stille«

In Magdala formiert sich der Protest, aber wie zuvor schon Themar ist auch diese Stadt in Erwartung der Neonazis gespalten

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 4 Min.

Jeannette Lorenz-Büttner ist Pfarrerin in Magdala. Sie klingt ganz ähnlich, wie der Bürgermeister von Themar, Hubert Böse, oder Thomas Jakob, Sprecher des dortigen Bündnisses für Demokratie und Weltoffenheit klangen, als die über die Stimmung in dem 2800-Seelen-Ort im Landkreis Hildburghausen sprachen. In Themar fanden inzwischen mehrere große Neonazi-Konzerte statt, das größte 2017. Damals waren etwa 6000 Neonazis auf eine Wiese am Rand der Stadt gekommen, um den Hass zu feiern. Das Konzert gilt bislang als das größte Rechtsrock-Festival auf deutschem Boden seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Nun steht Magdala wohl Ähnliches bevor.

Für das Wochenende haben Rechtsextreme für den mittelthüringischen Raum ein Festival - wieder getarnt als politische Kundgebung - angemeldet, das vielleicht sogar in Magdala und Apolda parallel stattfinden könnte. Für beide Kommunen gibt es Anmeldungen, wobei man in Thüringer Sicherheitskreisen davon ausgeht, dass der Schwerpunkt der Neonazi-Aktivitäten in Magdala liegen dürfte, wo die Rechtsextremen sich ein großes Feld als Veranstaltungsort sichern konnten. Ein Privatmann hat es ihnen vermietet. In Apolda gibt es eine Veranstaltungsanmeldung für die Stadtmitte, wo den Erwartungen der Behörden nach nur eine kleinere Kundgebung stattfinden dürfte, die allerdings auch dann Polizisten und Gegendemonstranten binden würde. Dass mehrere tausend Rechtsextreme aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland nach Thüringen kommen werden, ist ziemlich wahrscheinlich.

Und weil die Menschen in Magdala all das wissen, sei die Stimmung in der 2000-Einwohner-Stadt im Vergleich zum sonst üblichen Klima im Ort sehr ungewöhnlich, sagt Lorenz-Büttner. »Da ist eine seltsame Stille, wie vor einem Gewitter.« Gleichzeitig gebe es inzwischen verschiedene Lager: Da seien die Menschen, die entschlossen seien, gegen die Rechtsextremen zu protestieren - auch, um Magdala nicht zu einem Mekka für rechtsextreme Veranstaltungen werden zu lassen. Andere plädierten dafür, das Konzert zu ignorieren; entweder als stille Form des Protests. Oder aber aus Gleichgültigkeit. Zudem, sagt Lorenz-Büttner, sei nicht auszuschließen, dass einige im Ort mit dem rechtsextremen Gedankengut sympathisierten.

Auch Böse und Jakob haben immer wieder beschrieben, wie sich in Themar inzwischen Fraktionen bildeten, die ganz unterschiedliche Strategien zum Umgang mit dem Rechtsrock verfolgen. Jene, die protestieren. Jene, die die Neonazis versuchen zu ignorieren, solange die nur ihren Müll wieder mitnehmen. Jene, die mit den Rechtsextremen mehr oder weniger sympathisieren. Böse hat in der Vergangenheit schon offen ausgesprochen, wie gespalten Themar inzwischen ist. »Man ist manchmal anderen Menschen gegenüber nicht mehr so unvoreingenommen«, hatte er im Sommer gesagt. »Wahrscheinlich ist man da ein Stück weit vorsichtiger geworden.« Lorenz-Büttner sagt, sie habe Sorge, dass auch Magdala wegen des Konzerts eine solche Spaltung erleben könnte.

Aber wie Böse und Jakob es für Themar nicht akzeptieren wollen, dass ihre Stadt zu einem rechtsextremen Wallfahrtsort wird, will auch Lorenz-Büttner - und die, die mit ihr gemeinsam am Wochenende gegen die Neonazis protestieren werden - das für Magdala nicht hinnehmen. Tatsächlich gewinnt sie der schwierigen Lage, in der ihre Gemeinde steckt, sogar etwas Positives ab. »Ich sehe das trotz aller Schrecken auch als Chance für den Ort«, sagt Lorenz-Büttner. Mit dem rechtsextremen Konzert verbinde sich auch die Möglichkeit, »dass wir uns fragen: Wo stehen wir als Gesellschaft eigentlich und wo kommen wir hin, wenn wir alle so tun, als gehe uns so etwas nichts an.« Die Gegendemonstranten wollten deshalb nicht nur zeigen, dass sie die rechtsextreme Ideologie ablehnten. Sie wollten auch zeigen, wie vielfältig und stark Demokratie sei, auch wenn es unter »dem Deckel« große Probleme und Herausforderungen gebe. Lorenz-Büttner rechnet damit, dass viele Protestierende von außerhalb kommen - etwa aus Erfurt, Weimar, Jena, aber auch Hannover und bestimmt auch der eine oder andere aus Themar. Denen in Magdala, die auch ob dieser zu erwartenden Fremden misstrauisch seien, sagt Lorenz-Büttner, erkläre sie: »Die kommen, um uns zu helfen.«

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