Alles für die Katz

Wenn Wirtschaftsinteressen gegen Bürgerinteressen stehen, ist von der Schwarz-Gelb in NRW nicht viel zu erwarten, meint Sebastian Weiermann

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Ende August befand sich der Hambacher Forst im Belagerungszustand. Die Polizei durchsuchte mehrmals ein legales Aktivistencamp, räumte Barrikaden aus dem Wald und zerstörte schließlich 77 Baumhäuser. Die Räumung der Baumhäuser war von lokalen Behörden aus Brandschutzgründen angeordnet worden, entgegen der mehrjährigen Rechtsauffassung der selben Behörden.

Den Verdacht, dass es in Wirklichkeit darum ging, schon vor der im Oktober beginnenden Rodungssaison, Fakten zu schaffen, konnte die nordrhein-westfälische Landesregierung nicht ausräumen. Dafür hatte sie mit zu vielen Tricks und Täuschungen gearbeitet. Erinnert sei nur an die Präsentation von »Waffen«. Das Innenministerium verschwieg, dass diese schon vor Jahren gefunden worden waren. Auch sei erinnert an die Falschinformation, dass in der Nähe von Aachen für Windkraftanlagen mehr Bäume gefällt würden als im Hambacher Forst, die Innenminister Herbert Reul im WDR verbreitete.

Die Landesregierung hat im Konflikt um den Hambacher Forst massiv an Vertrauen verspielt. Zuerst das der Umweltschützer, die sich Hoffnungen gemacht hatten, dass Ministerpräsident Armin Laschet sein Paradigma, »Ökonomie und Ökologie« zu versöhnen ernst meine. Dann dass Vertrauen von vielen normalen Bürgern, die einfach nicht mehr glauben konnten, was ihnen aus Ministerien und von Polizeibehörden gesagt wurde. Erlebten diese Waldbesucher jedoch etwas ganz anderes als die »kriminellen Chaoten«, die die Besetzer sein sollten. Wer mit den Aktivisten sprach, lernte junge, engagierte Menschen kennen, die ein anderes Leben gestalteten und dabei mutig und kreativ vorgingen.

Zuletzt haben Reul und die Landesregierung auch das Vertrauen von tausenden Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet verspielt. Denn: Die Beamten verlassen sich auf die Sinnhaftigkeit und Rechtmäßigkeit ihrer Einsätze. Nun waren sie über mehrere Wochen oft in 12 Stunden Schichten im Einsatz, mussten sich mit den Besetzern rumärgern, ein Baumhaus nach dem anderen zerstören und kannten Freizeit nur noch aus der Erinnerung. Und jetzt stellt sich heraus, dass der ganze Einsatz für die Katz gewesen ist. Selbst RWE geht davon aus, dass es bis Ende 2020 dauern wird bis über die Zukunft des Waldes entschieden wird. Genug Zeit für die Aktivisten, neue Baumhäuser zu bauen - und das mit so viel Rückhalt wie noch nie.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat in dem Konflikt um den Hambacher Forst alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Herbert Reul ist, trotz seines freundlichen großväterlichen Auftretens, eine komplette Fehlbesetzung für den Posten des Innenministers. Armin Laschet hätte als »Landesvater« spätestens nach dem schrecklichen Unfalltod des Bloggers Steffen Meyn, die Zügel in die Hand nehmen und dafür sorgen müssen, dass der Einsatz gestoppt wird. Seine Kommentare, in denen er immer wieder auf die Doppelmoral der Grünen hinwies, die 2016 in der Regierung mit der SPD, noch die Rodung mitbeschlossen hatte, waren jedenfalls wenig hilfreich und nicht dazu geeignet den Konflikt um den Wald zu befrieden.

Von Laschets Koalitionspartner, der FDP, war außer der Betonung der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Braunkohle überhaupt nichts zu hören. Als Partei, die zumindest mal einen Flügel hatte, der sich für Bürgerrechte einsetzte, hätte es den Liberalen gut zu Gesicht gestanden, sich in der Koalition gegen Demonstrationsverbote und Gefahrengebiete rund um den Wald einzusetzen. Die Erkenntnis, die bleibt: Wenn Wirtschaftsinteressen gegen Bürgerinteressen stehen, ist von Schwarz-Gelb in NRW nicht viel zu erwarten. Viele Bürger werden sich das merken.

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