Mit Rechtsmitteln gegen Mobbing

Psychoterror am Arbeitsplatz

  • Manuela Beck und Dr. Ulrich Hallermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Vom Chef nichts als Kritik und dauernde Kontrollen, die Kollegen lästern, die Aufgaben sind eine Degradierung. Wer am Arbeitsplatz systematisch von anderen Mitarbeitern oder Vorgesetzten gemobbt wird, unterliegt großem psychischen Druck und täglichem Stress. In vielen Fällen ist ein Wechsel des Arbeitsplatzes eine Erlösung für den Betroffenen - und das Ziel der Mobbingtäter.

Sexuelle Belästigung ist ein ernstes Problem

Fast jede zweite Frau und jeder dritte Mann in Deutschland halten sexuelle Belästigung - ob am Arbeitsplatz oder anderswo in unserer Gesellschaft - für ein ernsthaftes Problem. Das sagen laut ifo Bildungsbarometer 2018 rund 45 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer. dpa/nd

Um dem Psychoterror etwas entgegenzusetzen, kann unter anderem der rechtliche Weg sinnvoll sein. In der Praxis enden Verfahren meist mit einer Abfindung und der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Experten für Arbeitsrecht raten deshalb vor allem dann zu juristischen Mitteln, wenn man bereits eine neue Stelle in Aussicht hat.

Erst prüfen: Scherereien, Diskriminierung oder Mobbing?

Mit Hilfe des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) können Arbeitnehmer sich gegen Benachteiligung oder Herabwürdigungen aufgrund ihres Geschlechts, ethnischer Herkunft, Alter, sexueller Orientierung oder einer Behinderung zur Wehr setzen. Zum Schutz vor Mobbing existiert in Deutschland anders als in anderen Ländern kein Gesetz.

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Klage ist daher: Die belastenden Vorgänge am Arbeitsplatz müssen vor Gericht als Mobbing anerkannt werden. Dafür sollten sie über mehrere Monate auftreten, und der oder die Täter sollten dabei erkennbar planvoll und bewusst handeln. Denn hin und wieder ein spontaner Streit unter Kollegen oder Meinungsverschiedenheiten mit dem Chef sind noch kein Mobbing. Typisch für Mobbing ist das proaktive Vorgehen der Rädelsführer. Die Schikanen erfolgen also nicht als Reaktion etwa auf ein unverschämtes Auftreten des Opfers, sondern ohne ersichtlichen Anlass.

Ein weiteres Zeichen: Das Opfer nimmt innerhalb des Unternehmens eine unterlegene Position gegen den oder die Täter ein, entweder weil er in der Hierarchie niedriger steht oder die mobbenden Kollegen schlicht in der Überzahl sind. Treffen diese Merkmale zu, bewertet auch der Richter die Vorgänge wahrscheinlich als Mobbing.

Dokumentation und Zeugen sind entscheidend

Wenn Gespräche mit den Kollegen oder Vorgesetzten erfolglos waren und die täglichen Erniedrigungen nicht aufhören, lässt sich die Situation selten noch ohne die Versetzung oder den Weggang einer der Beteiligten lösen. Ist es der Chef selbst, der seinen Mitarbeiter mobbt, scheint das Ziel meist klar: Der Mitarbeiter soll kündigen.

Eine juristische Auseinandersetzung kann in der Regel zwar das Mobbing nicht abstellen, jedoch für einen finanziellen Ausgleich sorgen. Dies etwa mit einer Klage auf Unterlassung oder Schmerzensgeld. Wer sich mit rechtlichen Mitteln wehren will, sollte sich unter den Kollegen Zeugen suchen, die vor Gericht aussagen können.

Auch eine möglichst gute Dokumentation der Vorkommnisse ist wichtig, beispielsweise in Form eines Tagebuchs. In so einem Tagebuch ist es sinnvoll, jede Anfeindung und sonstige Vorfälle mit Datum und den beteiligten Personen zu notieren. Als Zeugen können auch ehemalige Kollegen hilfreich sein, da diese eher gewillt sein dürften sich zu äußern.

Wichtig, um vor Gericht argumentieren zu können: alles sammeln, was das Mobbing beweisen kann. Schriftliche Dokumente wie E-Mails sollte man archivieren, zu Gesprächen Gedächtnisprotokolle erstellen. Wer bereits wegen psychischer Probleme einen Arzt aufgesucht hat, kann diesen um ein mehrseitiges Attest bitten. Aber Finger weg von Gefälligkeitsattesten - diese könnten vor Gericht eher zur Unglaubwürdigkeit der Klage führen.

Mobbing ist als eine Straftat zu bewerten

Mitunter müssen Mobbingopfer auch Dinge erleiden, die vor Gericht klarer einzustufen sind. Schädigen die Kollegen etwa den Ruf eines Betroffenen durch üble Nachrede oder Verleumdung oder kommt es gar zu sexueller Nötigung, ist Anzeige gegen den oder die Täter zu erstatten. Denn diese Vorgänge gelten auch vor dem Gesetz nicht mehr »nur« als Psychoterror, sondern als Straftaten.

Die Autoren: Manuela Beck ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Hasselbach in Köln (www.kanzlei-hasselbach.de) und Dr. Ulrich Hallermann ist Fachanwalt für Arbeitsrecht mit Kanzleien in Worms und Mainz (www.kanzlei-hallermann.de).

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