Palmer: nicht witzig

Warum Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) mit einem satirisch gemeinten Beitrag zur Bayernwahl irritierte

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die bekannte Satireseite der-postillon.com veröffentlicht immer wieder Leserbriefe von Menschen, die überzeugt sind, dass es sich bei dem Portal um ein ernsthaftes Nachrichtenangebot handelt. Kurze Aufmerksamkeitsspannen, gerade in den sozialen Netzwerken, führen dazu, dass die Quelle eines Berichtes übersehen wird. Kompliziert wird die Sache, sobald solche Satiremeldungen aus Quellen stammen, die sonst eher frei von Humor sind.

So ist Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) bisher nicht durch seine Satirefähigkeit aufgefallen. Vergangenen Sonntag, noch während die Grünen in Bayern auf ein Rekordergebnis hofften, wollte Palmer offenbar seinen humoristischen Einstand geben. Die wahlkämpfenden Parteikollegen dürften darüber wohl nicht gelacht haben. Via Facebook verbreitete Palmer eine angebliche »Eilmeldung« der Nachrichtenagentur dpa, wonach Angela Merkel und Horst Seehofer »mit sofortiger Wirkung von ihren Ämtern als Vorsitzende der CDU und der CSU zurücktreten« würden, um »einen Neuanfang für Deutschland, Bayern und die Union« zu ermöglichen. Beobachter würden dies »als Eingeständnis des Scheiterns in der Flüchtlingsfrage« deuten, so Palmer in seiner Fake News. Nachdem sich Leser über Palmers Meldung empört gezeigt hatten, schob Palmer eine Erklärung nach, wonach das Kürzel BP für seine Initialen stehe, was wohl die angebliche »Eilmeldung« als Satire kennzeichnen sollte.

Auch die dpa-Redaktion sah sich veranlasst, festzustellen, dass es sich bei der Meldung des Tübinger OB um Satire handelt. Chefredakteur Sven Gösmann veröffentlichte sogar eine Stellungnahme, in der er Palmer nicht frei von Ironie kritisiert: »Jeder blamiert sich eben in einer freien Gesellschaft im Rahmen des Rechts, wie er möchte. Deshalb kommentieren wir normalerweise auch verkrampfte Satire-Gehversuche von Kommunalpolitikern nicht«, so Gösmann. Im Fall von Palmer sei dies aber nötig gewesen, da wir in Zeiten leben, »in denen die Glaubwürdigkeit von Medien regelmäßig angezweifelt wird«, noch dazu, weil Amtsträger mit Satire »verantwortungsvoll« umgehen sollten.

Gegenüber der Plattform faktenfinder.tagesschau.de erklärte Palmer, dass er nur von AfD-Anhängern Reaktionen erhalten habe, diese würden die Meldung glauben. Er selbst sehe seinen Beitrag als Satirelehrstück, »dass man nicht einfach glauben sollte, was man glauben will, ohne es zu prüfen«. Die Medienwissenschaftlerin Anna Wagner erklärt im Tagesschau-Interview jedoch, dass Satire häufig in einem Rahmen stattfinde, in dem die Beteiligten erwarten können, dass es sich nicht um eine reale Meldung handelt. »Von einem Jan Böhmermann erwartet man beispielsweise satirische Äußerungen«, so Müller. Anders verhalte es sich bei Politikern. »In diesem Rahmen erwarte das Publikum, dass der Politiker auch tatsächlich seine ursprüngliche Rolle erfülle.« Wenn aber Hinweise fehlen, dass eine Aussage als Satire gemeint ist, werde diese auch nicht als solche wahrgenommen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal