Aus dem Kreißsaal zur Abschiebung

Werdender Vater sollte ausgewiesen werden

  • Sebastian Haak,
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutsche Behörden haben Mitte Oktober einen Flüchtling aus einem Krankenhaus in Ostthüringen holen lassen, um ihn nach Italien abzuschieben. Der Mann war dort, um seiner Frau beizustehen, die ein Kind erwartete und bereits in den Wehen lag. Acht Polizisten sowie mindestens ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt seien ins Krankenhaus Saalfeld gekommen, um den Mann zu seiner Abschiebung abzuholen, sagte Ellen Könneker, die für den Flüchtlingsrat Thüringen arbeitet. Ohne Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz der Familie und das gesundheitliche Wohl der Frau und des noch ungeborenen Kindes sei der Mann »unter demütigenden Umständen« abgeführt und zum Flughafen nach Frankfurt am Main gebracht worden. »Die unsäglichen Debatten über höhere Abschiebezahlen und vermeintliche ›Vollzugsdefizite‹ schaffen den Raum für ein derartiges behördliches Vorgehen. Damit muss jetzt Schluss sein«, so Könneker.

Ein Sprecher des Landratsamtes Saalfeld-Rudolstadt bestätigte den Vorfall im Kern. Schließlich wurde die Abschiebung des Mannes aber gestoppt. Zwar sei der Flüchtling mutmaßlich in Polizeibegleitung auf dem Weg zum Flughafen gewesen, sagt Könneker. Doch nach dem Protest von zwei diensthabenden Hebammen des Krankenhauses Saalfeld hätten die Behörden die Abschiebung dann abgebrochen. Der Mann habe zu seiner Frau und dem Neugeborenen zurückfahren können.

Den Behörden sei bekannt gewesen, dass das Paar »traditionell verheiratet« sei und ein gemeinsames Baby erwarte, kritisierte Gertraud Jermutus, die für die Caritas in Saalfeld arbeitet. Auch der Arzt Helmut Krause war erschüttert. Er vertritt die Landesärztekammer unter anderem in der sogenannten Härtefallkommission, die entscheidet, ob ausreisepflichtige Flüchtlinge wegen besonderer Umstände eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die Landesärztekammer erwarte, »dass der Schutzraum Krankenhaus und die menschenrechtlichen Aspekte in solchen Situationen gewahrt werden«. Im Mai hatten die Behörden bereits versucht, eine schwangere Frau aus einem Krankenhaus in Arnstadt abzuschieben. Das hatten Ärzte verhindert.

Die LINKE-Abgeordnete Katharina König-Preuss kündigte an, den Vorfall im Landtag zu thematisieren. Man brauche im rot-rot-grün regierten Thüringen endlich eine landesweit einheitliche Regelung, um solche Vorfälle zu verhindern.

Der Sprecher des Landratsamtes Saalfeld-Rudolstadt sagte, für die Abschiebung sei zu allererst das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verantwortlich. Das Bundesamt prüfe, ob die Voraussetzungen für eine Abschiebung bei den betroffenen Personen noch gegeben seien. »Dies wurde der Ausländerbehörde des Landkreises vom BAMF schriftlich bestätigt. Ein Abschiebehindernis wurde für die betroffene Person durch die Schwangerschaft der Frau nicht gesehen«, sagte der Sprecher.

Inzwischen wurden nach Angaben des Sprechers des Landratsamtes für den Vater und die Mutter die drohenden Abschiebungen ausgesetzt - und für das Baby »von Amts wegen« ein Asylantrag gestellt.

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