Massive Missstände in Abschiebehaft Büren

Bericht der Anti-Folter-Stelle rügt unverhältnismäßige und menschenunwürdige Maßnahmen gegen Insassen

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sind schockierende Missstände, die die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter in ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht aufzählt. Bei einem unangekündigten Besuch Anfang des Jahres in der Abschiebehaftanstalt im nordrhein-westfälischen Büren dokumentierte eine Delegation zahlreiche Vergehen in der Anstalt. So wurden laut Bericht mehrere Ausreisepflichtige rechtswidrig dauerhaft in Einzelhaft untergebracht. Dafür gebe es jedoch keine gesetzliche Grundlage. Auch sei die Einstufung als sogenannte »Gefährder« nicht ausreichend, um derart weitgehende Sicherungsmaßnahmen anzuwenden. Schließlich könne Einzelhaft eine »unmenschliche und erniedrige Behandlung darstellen« und müsse »so kurz wie nur möglich« gehalten werden.

Die Anti-Folter-Stelle kritisiert zudem die Bedingungen auf der Isolierhaftabteilung als menschenunwürdig. So werden zum Beispiel Gefangene bei den Toilettengängen gefilmt und durch Bedienstete beiden Geschlechts überwacht. Auch andere grundrechtseinschränkende Maßnahmen seien in Büren unverhältnismäßig. Die Abschiebungshäftlinge würden etwa nicht nur nachts, sondern auch tagsüber in ihren Räumlichkeiten eingeschlossen. In mindestens einem Fall sei eine Person ohne Notwendigkeit fixiert worden. Auch gebe es keine psychologische Betreuung, obwohl sich die Ausreisepflichtigen in einer psychisch schwierigen Situation befänden und eine erhöhte Gefahr von Selbstverletzungen oder Suizidversuchen bestehe. Erst Anfang Juni hat sich in Büren ein 41-jähriger Georgier das Leben genommen. Laut dem Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. soll er sich in Isolationshaft befunden haben.

»Dass die Nationalstelle gravierende Missstände in der Abschiebehaft festgestellt hat, verwundert uns nicht«, sagt Vereinssprecher Frank Gockel. Der Verein kritisiert seit langer Zeit die teilweise unmenschlichen Haftbedingungen in Büren. »Gerade die Unterbringung in Isolierhaft wurde von uns immer wieder verurteilt«, so Gockel.

Scharf kritisiert die Nationalstelle auch die Entkleidung von Gefangenen bei der Durchsuchung, inklusive Inaugenscheinnahme des Schambereichs. Dies stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar und solle nur erfolgen, wenn die Verhältnismäßigkeit gegeben ist und selbst dann nur unter Wahrung des Schamgefühls. Eine Einschätzung, die der Bürener Verein teilt. Erst im Januar hat er Strafanzeige gegen eine weibliche Bedienstete gestellt, »die ohne triftigen Grund bei der Entkleidung von männlichen Gefangenen anwesend war und teilweise sogar die Initiative ergriffen hat«, heißt es in einer Mitteilung.

»Insgesamt ist es ein niederschmetterndes Urteil, das die Nationalstelle in ihrem Bericht über die Einrichtung trifft«, so Gockel. Er fordert eine intensive Aufarbeitung der vorgetragenen Missstände. »Diese darf aber nicht nur intern erfolgen, sondern muss von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden.« Die Anti-Folter-Stelle empfiehlt eine Zusammenarbeit der Abschiebehaftanstalt mit dem Verein, bei dem Ehrenamtliche die Abschiebungshäftlinge besuchen und kostenlos beraten. Dieses Engagement sei für die Insassen eine sinnvolle Hilfe und Unterstützung.

Büren ist eine von insgesamt elf Abschiebungshaftanstalten in Deutschland. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und der Jesuiten Flüchtlingsdienst kritisieren, dass ein erheblicher Anteil unrechtmäßig in Abschiebungshaft eingesperrt werde. Der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch hat laut eigenen Angaben zwischen 2001 und September 2018 1627 Abschiebungshäftlinge vertreten. 823 davon saßen zu Unrecht in Abschiebungshaft - also rund 50 Prozent.

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