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Zu viel zum Sterben
Lotte Laloire über die SPD, Hartz IV und Arbeit als Fetisch
Überleben kann man mit Hartz IV vielleicht, leben nicht. Es muss abgeschafft werden, keine Frage. Wie Andrea Nahles am Freitag in der »FAZ« andeutete, begreift das selbst die dahinsiechende SPD nun endgültig. Das gibt der Partei, die auf eine 100-jährige Tradition des Verrats an den unteren Klassen zurückblicken kann, plötzlich Hoffnung.
Für die SPD ist Hartz IV - das Sahnehäubchen auf dem neoliberalen Gebräu, das sie seit Jahren verzapft - neuerdings die Wurzel allen Übels, also der Grund für ihre Wahlschlappen. Die Einsicht ist politisch gut, wenn auch analytisch falsch. Denn die SPD hat das System der Knechtung damals nicht alleine eingeführt, mit dabei war die grüne Partei.
Der Erfolg der Grünen zeigt, dass die düstere Hartz-IV-Vergangenheit einer Partei nicht unbedingt schadet. Das liegt nicht nur daran, dass ihr Klientel oft gut verdient, sondern auch daran, dass viele Menschen - ob arbeitslos oder arbeitend, ob Arbeiter oder Akademiker - einen krassen Arbeitsfetisch pflegen.
Ein Hinweis für die übersteigerte Identifikation mit der eigenen Ausbeutung ist die Skepsis Vieler gegenüber Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Kein Wunder nach Jahren der Arbeit-ist-geil-und-wer-nicht-arbeitet-ist-nichts-wert-Propaganda. So sagt Nahles auch: »Wir müssen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren.« Es ist also zu befürchten: Selbst ihr erster sinnvoller Vorstoß seit langem wird die SPD als Volkspartei nicht wiederbeleben. Denn nicht nur die Partei ist krank, sondern auch das arbeitende Volk.
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