Projekt Aufklärung über Muslime

Die Islamkonferenz hat Integration wie keine zweite Institution vorangebracht

  • Fabian Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Meldung, dass die Deutsche Islamkonferenz (DIK) zurückkehren werde, hatte im Juni kaum die Kioske erreicht, da begann der Kampf um den besten Platz am Tisch. Als Provokation bezeichneten Vertreter der großen islamischen Verbände das Vorhaben des Innenministers, auch kritische muslimische Einzelpersonen einladen zu wollen. Diese wiederum forderten wie der Grünen-Politiker Cem Özdemir, den großen Verbänden weniger Raum zu geben. Auch beim Streit um die Themensetzung war man sich schnell einig: Die Ablehnungen der vorsichtigen Ankündigung des Innenministeriums, über einen »deutschen Islam« sprechen zu wollen, reichten von »Anmaßung« (Islamrat-Chef Ali Kızılkaya) bis zur »deutschen Unterwerfung« (Islamkritiker Bassam Tibi).

Am Mittwoch hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) die vierte Runde der DIK in Berlin eröffnet. Dabei bekräftigte er seine Auffassung, dass Muslime zu Deutschland gehören. Seehofer wiederholte seine Aussage nicht explizit, wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Damit hatte der Minister im März für Kritik nicht nur bei Muslimen gesorgt.

Bei dem zweitägigen Treffen wird es nun einmal mehr um Integrationsfragen gehen. In den vergangenen zwölf Jahren hat die Konferenz nicht nur für reichlich Skandale gesorgt, sie hat die Integration von Muslimen wie keine zweite Institution vorangebracht. Das zeigt sich vor allem bei Themen, die es selten in die Schlagzeilen schafften: Vor 2006 gab es für fast alle muslimischen Schüler und Schülerinnen nur eine Form des Islamunterrichts: am Samstagmorgen in der Moschee. Heute gibt es in der Mehrzahl der Bundesländer für mehr als 50 000 muslimische Schulkinder islamischen Religionsunterricht.

Die ersten Impulse dafür kamen ebenso von der DIK wie für die fünf universitären Zentren, an denen man in Deutschland mittlerweile islamische Theologie studieren kann. Dass es neben den fünf christlichen nun auch einen islamischen Wohlfahrtsverband gibt, hat die DIK ebenso in die Wege geleitet wie die Reform von Bestattungsgesetzen. Dass immer mehr Muslime nicht mehr ins Ausland fliegen, um ihre toten muslimischen Verwandten zu beerdigen, ist auch ein Verdienst des Formats.

Die DIK hat die Grundlage dafür gelegt, dass - wer will - sich sachlich dem Thema Islam nähern kann. Wie viele Muslime gibt es in Deutschland? Woher kommen sie und wohin gehen sie zum Beten? Gehen sie wirklich nicht zum Schwimmunterricht? Warum tragen Frauen Kopftuch? Welchen Beitrag leisten Moscheen zur Jugendarbeit und muslimische Ehrenamtler in der Pflege? Dass wir heute über den deutschen Islam mehr wissen denn je, ist Forschungen zu verdanken, die von der Islamkonferenz angestoßen wurde.

Es fällt leicht, die DIK als Podium von Selbstdarstellern und Intriganten abzutun. Denn oft ist sie genau das. Aber auch die nicht enden wollenden Debatten darüber, wer das Recht hat, für die viereinhalb Millionen Muslime des Landes zu sprechen, hat Deutschland positiv verändert. Sie stärkten das Wissen über die Arbeit islamischer Interessenvertretungen und das Bewusstsein für die Vielfalt muslimischen Lebens. Kaum ein Zeitungsleser dürfte vor zwölf Jahren gewusst haben, was sich hinter Bezeichnungen wie »Zentralrat der Muslime« und »Ditib« verbirgt. Dass in Talkshows und an Runden Tischen neben Bosbachs und Gabriels auch selbstverständlich Namen wie Ates, Kelek, Mayzek und Mansour auftauchen, wäre ohne die Islamkonferenz wohl anders. Ohne die DIK würde zudem vermutlich nicht jede Woche im Deutschlandradio der Koran erklärt werden, die Vielfalt muslimischen Lebens im ZDF ein Forum finden.

Dass an der Islamkonferenz nicht alles schlecht ist, sehen auch ihre sonst zerstrittenen Teilnehmer so. Ali Kızılkaya gab sich gegenüber »nd« versöhnlich. Durch die DIK seien »Muslime und der Islam erstmals als Partner wahrgenommen wurden«. »Heute gibt es viele Gesprächsebenen mit Bundesregierung und Ministerien. Wir haben Integrationsgipfel, Flüchtlingsgipfel und vieles mehr«, sagte Zentralratschef Aiman Mazyek dem »nd«. Dass Staat und Muslime ungeachtet aller Differenzen heute auch an vielen anderen Orten miteinander sprechen, sei ebenfalls ein Erfolg der Islamkonferenz.

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