Max Zirngast ist frei

Türkisches Gericht ordnet Heiligabend Entlassung an

  • Lotte Laloire
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Aktivist und Journalist Max Zirngast, der seit dem 21. September 2018 im Hochsicherheitsgefängnis Sincan in Ankara gesessen hatte, ist an Heiligabend entlassen worden. Das hatte ein türkisches Gericht am 24. Dezember entschieden. Nach medizinischen Untersuchungen, bürokratischen Umwegen und einer Nacht auf einer Polizeiwache ist Zirngast seit dem Mittag des 25. Dezember vorerst auf freiem Fuß. Er darf die Türkei nicht verlassen und Auflage ist, dass er einmal pro Woche montags bei einer Polizeistation vorspricht. Mit ihm ist ein Mitglied der Parteiinitiative Soziale Freiheit, Mithatcan Türetken, sowie die feministische Aktivistin der Gruppe »Campushexen«, Hatice Göz, freigekommen.

»Wir freuen uns riesig über diese Nachricht«, sagte Alp Kayserilioğlu, Mitbegründer der Solidaritätskampagne FreeMaxZirngast, im Gespräch mit »nd«. Dass sein Freund ausgerechnet an Heiligabend aus dem Gefängnis durfte, sei kein Zufall. »Wir gehen davon aus, dass es zwischen Österreich und der Türkei irgendwelche Deals im Hintergrund gegeben hat. Nur welche genau, wissen wir nicht«, so Kayserilioğlu. Österreichs Außenministerin Karin Kneissl von der rechtsextremen FPÖ hatte die Entlassung bereits vorab begrüßt und »Bemühungen« der Regierung mitgeteilt, die »konkrete Früchte« getragen hätten.

Der 29-jährige Zirngast, der seit 2015 in der Türkei lebt und in kürzester Zeit fließend Türkisch gelernt hat, war am 11. September in Polizeigewahrsam gekommen und daraufhin verhaftet worden. In der Wohnung des Marxisten hat die Polizei linke Bücher gefunden und Zirngast der Autorenschaft eines Buchs über Kurden bezichtigt, das dieser nach eigenen Angaben jedoch nicht geschrieben hat. Die Bücher habe Zirngast, der an der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara eingeschrieben ist, für sein Studium der Politikwissenschaft benötigt. In einem seiner Artikel für das US-Magazin »Jacobin«, soll der Journalist zudem den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben.

Nach Wochen ohne offizielle Anklage wird Zirngast nun die »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« vorgeworfen. Dafür soll ihm trotz der weihnachtlichen Freilassung ab dem 11. April 2019 der Prozess gemacht werden. Näheres aus der Anklageschrift ist allerdings noch nicht bekannt, da die Staatsanwaltschaft die Akte lange unter Verschluss gehalten hatte. Murat Yilmaz, Vorsitzender des linken Anwaltvereins ÇHD in Ankara und Zirngasts Verteidiger sagte: »Diese Anklage ist völlig substanzlos. Kein Wunder, dass sie ihn wieder freigelassen haben.«

Wie das Verfahren verläuft, hängt laut Kayserilioğlu auch davon ab, ob es gelingt, den öffentlichen Druck aufrecht zu halten, auf den die Unterstützer die Freilassung zurückführen. Wichtig werden auch die Kommunalwahlen im März sein. »Wenn sie gut für Erdoğans AKP und die MHP laufen, könnte das Verfahren im Sinne der Anklage und gegen Max ausgehen«, schätzt Kayserilioğlu, der deshalb gerade jetzt die politische Arbeit wichtig findet. Auch die rechte Regierung in Österreich will sich laut eines Tweets von Kneissl »weiterhin für eine rasche Abwicklung des Strafverfahrens einsetzen«.

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