Im Stich gelassen

Über die Weigerung des Bundesinnenministeriums, Gerettete Flüchtlinge von zwei deutschen Schiffen aufzunehmen

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 3 Min.

Was haben Berlin, Düsseldorf und Halle (Saale) gemeinsam? In allen drei Städten wurde sich dafür ausgesprochen, mehr gerettete Geflüchtete aus dem Mittelmeer aufzunehmen. 2018 war das Jahr, in dem sich quer durch Deutschland Städte und Kommunen zu Orten der Zuflucht erklärten.

Vor diesem Hintergrund ist die Weigerung des Bundesinnenministeriums, geborgene Flüchtlinge von zwei deutschen Seenotrettungsschiffen aufzunehmen, geradezu absurd. Die Hilfsorganisationen Sea-Watch und Sea-Eye haben in den letzten Tagen mehrere Rettungseinsätze durchgeführt und dabei 49 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Mit diesen Menschen suchen die beiden Schiffe nun nach einem sicheren Hafen. Und das bereits seit 11 Tagen. Die Bedingungen könnten nicht widriger sein. Ayla Emmink, Bordärztin auf der Sea-Watch, beschreibt sie als beengt, die Menschen seien traumatisiert und seekrank, die medizinische Lage »fragil«: Schon kleinste Veränderungen könnten die Lage zum Kippen bringen. Dazu zog kurz vor Neujahr ein Sturm auf, der die beiden Schiffe zusätzlich in Gefahr brachte. Die UNO rief die Mittelmeerstaaten bereits dazu auf, ihre Häfen zu öffnen. Es müsse dringend eine Lösung gefunden werden für die 49 Migranten, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mit.

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Obwohl die Organisation Sea-Eye unter deutscher Flagge fährt, will das von Horst Seehofer geführte Ministerium die Menschen auf den Schiffen nicht in der Bundesrepublik aufnehmen. Schließlich habe man 2018 bereits 115 Menschen, die aus Seenot gerettet wurden, aufgenommen. Diese Aussage ist nicht nur angesichts der Dutzenden Städte, die Bereitschaft signalisiert haben, den Geretteten eine Heimat zu bieten, abstrus. Auch angesichts des europäischen Vergleichs ist die Aussage beschämend: Spanien hat im Jahr 2018 52.621 aus dem Mittelmeer Gerettete aufgenommen, Griechenland 29.567 und Italien 22.935. Trotzdem verkündet das Bundesministerium, erst Menschen aufzunehmen, wenn eine »ausgewogene Verteilung« auf verschiedene europäische Länder gewährleistet sei.

Es ist ein Elend, allerdings auch deshalb, weil die Situation fast schon gewöhnlich scheint. Wieder einmal zwei Schiffe, die keinen Hafen zugewiesen bekommen. Was im Falle der »Lifeline« letzten Sommer wenigstens noch Schlagzeilen machte, ist inzwischen zur Normalität verkommen. Angesichts der rechten Stimmungsmache und des Rassismus in den Behörden scheint es kein Staat riskieren zu wollen, allzu menschlich zu wirken. Daher braucht es endlich wieder klare und europaweit bindende Richtlinien für die Seenotrettung. Damit nicht jede Mission zur Odyssee für die Geretteten wird und es nicht nach jeder Rettung ein unwürdiges Geschacher zwischen den Staaten darum gibt, wer wie viele Flüchtlinge aufnimmt. Es geht schließlich um Menschenleben.

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