Tausende fordern »Stopp dem Hass«

Demonstrationen in Polen nach Mord an Gdansker Oberbürgermeister

  • Wojciech Osinski, Gdańsk
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach dem tödlichen Attentat auf den Gdańsker Oberbürgermeister Paweł Adamowicz versammelten sich am Montagabend in vielen Städten Polens Tausende Menschen zu Trauerveranstaltungen und Demonstrationen. Allein in Gdańsk gedachten 16.000 Menschen des Opfers. In Warschau demonstrierten ebenfalls am Montagabend Tausende unter dem Motto »Stopp dem Hass«. In Gdańsk sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk: »Ich verspreche dir heute, lieber Pawel, dass wir für dich unser Gdańsk, unser Polen und unser Europa von Hass befreien werden.«

Der 53-jährige Adamowicz galt als liberal, proeuropäisch und als Konterpart zur regierenden PiS-Partei. Er war am Sonntagabend bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung angegriffen worden und erlag am Montag den Verletzungen. Die Agentur PAP berichtet unter Berufung auf Gdańsker Gefängnisärzte, der 27 Jahre alte Täter leide an Schizophrenie. Der Mann war bereits vorbestraft und saß wegen Banküberfällen in Haft. Für die Gefängnisstrafe machte er Adamowiczs frühere Partei, die Bürgerplattform (PO), verantwortlich und wollte sich rächen.

Adamowicz war im Jahr 1998 mit gerade einmal 33 Jahren ins Rathaus der pommerschen Metropole eingezogen. Seine Familie war nach dem Krieg aus der Gegend um das litauische Vilnius nach Pommern vertrieben worden. Adamowicz studierte Jura und engagierte sich in der Gewerkschaftsbewegung Solidarność. Trotz seiner langjährigen Zugehörigkeit zur liberal-konservativen PO, die er gemeinsam mit Donald Tusk gegründet hatte, war er als Lokalpolitiker bekannt, der sich über jegliche Gräben hinwegsetzte und dabei der aggressiven Rhetorik aus Warschau die Stirn bot. Zudem gelang es ihm, zwischen den zerstrittenen Solidarność-Flügeln zu vermitteln.

2015 verließ Adamowicz die PO und kandidierte im November vergangenen Jahres mit der Wählervereinigung »Alles für Gdańsk« erneut erfolgreich für das Bürgermeisteramt. In einem Polen, das sich von Flüchtlingen abschottet, war Adamowicz ein Vorreiter von Integrationsprogrammen. Gleichzeitig wird die Hafenmetropole aber auch als »polnisches Palermo« bezeichnet - nicht von ungefähr. Zwei Tage nach der Bluttat wurde in einem Gericht erneut ein Mann mit einem Messer von Sicherheitskräften überwältigt.

Der Angriff auf Adamowicz hat in Polen eine politische Debatte über Hassreden ausgelöst. Der heftige Streit zwischen der Opposition und der Regierungspartei PiS könne zur Eskalation der Gewalt beigetragen haben, meinten Kritiker. Anhänger verschiedener Parteien mahnten wiederum, das Attentat auf Adamowicz nicht zu politisieren. Von einem staatlich organisierten Trauermarsch sah Präsident Andrzej Duda auf Wunsch der Angehörigen ab. Mit Agenturen

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