Ein Schloss sucht einen Namen

Velten Schäfer macht dem Volksmund einen Vorschlag

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Rede vom »Volksmund« ist aus der Mode. Der sprachbildpolizeiliche Einwand liegt ja nahe, dass das »Volk« nicht einen, sondern viele Münder hat. Gewitzte Ideologiekritik erweitert dieses ästhetische Unbehagen um das politische Argument, aus dem Munde des »Volks« könne nur »Völkisches« kommen, immerhin teilen die Wörter den Stamm! Natürlich lässt sich das noch eleganter ausdrücken, ungefähr so: »Die Konstruktion eines ›Volksmundes‹ hypostasiert ein als ontologische Konstante konzeptualisiertes ›Volk‹ und trägt auf diese Weise zu einer Marginalisierung von Differenz und Planierung von Multiperspektivität bei, die essenzialistisch-identitäre Diskurse und Strukturen konstituiert.«

Da solch luzider Einsicht kaum zu widersprechen ist, verabschieden wir uns an dieser Stelle vorläufig vom Unwort mit »Volk«. Aber auch, wenn wir lieber von dissonantem Sprachhandeln sprechen mögen, sollten wir nie vergessen, welche subversive Kraft von der Art und Weise ausgehen kann, wie man beim Einkaufen, Ausgehen oder nach dem Yoga über Institutionen, Prachtbauten und dergleichen redet.

Zwar ist das Wissen darum, dass die Fertigstellung des Berliner Fernsehturms anno 1969 im Grunde schon das Ende der DDR einleitete, weil sich in dessen mit westdeutschen (!) Metallplatten verkleideter Kuppel die Sonne kreuzförmig spiegelt, weswegen das Wort von der »St. Ulbrichts-Kathedrale« Flügel bekommen und die Staats- wie Parteiführung fast schon final blamiert habe, offenbar jüngst aus dem Fundus der Berliner Revolverblätter in denjenigen eines »Deutschen Fernsehmuseums« zu Wiesbaden übergegangen. Leider gescheitert ist auch die Initiative eben jener Pressorgane, eine neue Mehrzweckhalle am hauptstädtischen Flussufer ob deren hektisch blinkender Leuchtwerbetafelfassade als »Lichthupe« zu desavouieren. Wie wäre es aber, einen gewissen, angeblich bald eröffnenden Berliner Betonklotz mit straßenseitig angeklebter Barockfassade als »Kolonialwarenladen« bekannt zu machen?

Einen Namen braucht dieses Dings ja allemal: »Humboldt Forum« klingt nach gar nichts - und die vermeintlich naheliegende Bezeichnung »Schloss« ist, genauer besehen, eine Beleidigung schon für dasjenige im Stadtteil Charlottenburg, von der Dresdner Residenz etwa zu schweigen. Die hier vorgeschlagene Benennung hingegen griffe nicht nur einen Spitznamen des Vorgängergebäudes auf, das auch als »Erichs Lampenladen« bekannt war. Sondern auch die Geste, die in das Dings einzuziehen im Begriff ist: Das heutige, angeblich weltoffene Deutschland sonnt sich in einem Abglanz von Preußens Gloria, der sich in Tributen ferner Völkerschaften widerspiegelt.

Also, lieber Volksmund, nutze die Chance und rehabilitiere dich. Schüttle den Kopf, zucke mit den Achseln, lächle leise. Doch sei nicht hämisch und nicht giftig. Sonst ist da nur noch Gossenwitz.

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