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Zu spät, zu wenig
Aert van Riel über deutsche Entschädigung wegen der Leningrader Blockade
Die Zahlung von zwölf Millionen Euro, die zum Teil den Überlebenden der Leningrader Blockade im Zweiten Weltkrieg direkt zugutekommt, ist eine kleine Geste der Bundesregierung, die viel zu spät kommt. Die Verantwortlichen hierzulande hatten sich lange geweigert, für alle Überlebenden zu zahlen. Denn sie sahen nur die jüdischen Bewohner der Stadt als Opfer der »rassischen Verfolgung« durch die Nationalsozialisten und somit berechtigt, individuelle Entschädigungen zu erhalten. Andere sowjetische Bürger hätten hingegen unter allgemeinen Kriegshandlungen gelitten.
Das ist absurd. Zwar stimmt es, dass der Massenmord in den Vernichtungslagern, dem vor allem Juden zum Opfer fielen, wegen seiner industriellen Durchführung singulär ist. Allerdings wurden auch andere Menschen wegen ihrer Herkunft verfolgt und massenhaft ermordet. Auch die Blockade von Leningrad mit etwa einer Million Toten wäre nicht denkbar gewesen ohne den deutschen Rassenwahn, wonach auch Slawen als »minderwertig« galten. Von der Unterscheidung der Opfergruppen ist Berlin erst abgerückt, nachdem die meisten Menschen verstorben sind, die einen Anspruch auf Zahlungen gehabt hätten. So wird an Wiedergutmachungen gespart. Die Aussage von Außenminister Heiko Maas, dass Deutschland zu seiner historischen Verantwortung stehe, ist schlicht heuchlerisch.
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