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Bundesregierung kassiert Debatte um Tempolimit ein

Umweltministerium: Für die Klimabilanz bringt eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung »sehr wenig« / Grüne kritisieren »deutschen Sonderweg«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Bundesregierung hat einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen eine klare Absage erteilt. Es gebe »intelligentere Steuerungsmöglichkeiten als ein allgemeines Tempolimit«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Für die Grünen ist die Haltung der Bundesregierung hingegen nicht mehr zeitgemäß.

Die Debatte um eine Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen war unlängst wieder hochgekocht, nachdem entsprechende Vorschläge der Arbeitsgruppe »Klimaschutz im Verkehr« der Regierungskommission zur Zukunft der Mobilität bekannt geworden waren. Empfehlungen der Arbeitsgruppe aus Experten von Industrie, Verkehrs- und Umweltverbänden gibt es noch nicht - sie sollen voraussichtlich Ende März vorliegen.

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Es gebe jetzt schon »auf einem großen Teil« des deutschen Straßennetzes Geschwindigkeitsregelungen, sagte Seibert. Ein generelles Tempolimit wolle die große Koalition nicht, dies stehe auch nicht im Koalitionsvertrag. Seibert hob jedoch auch hervor: »Wir müssen natürlich die Treibhausgase im Verkehrsbereich reduzieren.«

Doch ein Tempolimit sieht die Bundesregierung dabei nicht als das richtige Mittel an. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte, dass ein »Tempolimit für die Klimabilanz sehr wenig bringt«. Nach bisherigem Erkenntnisstand sei ein Tempolimit somit kein »herausragendes Instrument für den Klimaschutz«.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze erklärte dagegen am Montag, sie sei »offen für ein Tempolimit, das es um uns herum überall gibt.« Sie sei nur dagegen, »dass wir als Bundesregierung uns zum jetzigen Zeitpunkt auf einzelne der in der Verkehrskommission diskutierten Vorschläge positionieren«, schrieb die SPD-Politikerin auf Facebook. Es gebe gute Argumente für ein Tempolimit auf Autobahnen. Klar sei aber, dass es für den Klimaschutz zu wenig bringe. Die SPD hat 2007 auf einem Parteitag beschlossen, sich für ein Tempolimit von 130 einzusetzen.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte die Haltung der Bundesregierung. »Der Verkehrsbereich stößt insgesamt immer mehr CO2 aus und ein Tempolimit wäre eine von vielen Maßnahmen auf dem Weg zu sicherem und sauberem Verkehr«, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

»Der deutsche Sonderweg auf der Autobahn ist ein Fetisch aus dem 20. Jahrhundert, als Autos kleiner und langsamer waren, ihre Zahl und erst Recht die der LKW geringer und schließlich der Klimawandel noch ein Fremdwort war«, fügte die Grünen-Politikerin hinzu. »Jetzt ist 2019 und der deutsche Sonderweg ist aus der Zeit gefallen.«

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte besonders die Haltung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Geschäftsführer Jürgen Resch sagte der »Passauer Neuen Presse«, Scheuer agiere »nicht als Verkehrsminister, sondern wie der offizielle Vertreter der Automobilindustrie im Bundeskabinett«. Er übernehme »Positionen der Autokonzerne und lässt die Millionen betrogenen Besitzer schmutziger Diesel-Pkw im Stich«, sagte Resch. »Er kümmert sich weder um die Städte, die im Autoverkehr ersticken und eine wirksame Verkehrswende fordern, noch um die saubere Luft.«

Resch kritisierte zudem, dass Scheuer in der Debatte über Grenzwerte von Stickstoffdioxid und Feinstaub »auf der Seite vermeintlich kritischer Lungenärzte« stehe. Er sprach von einer »Phantomdebatte«: »Die Forderung dieser obskuren Truppe, die EU-Grenzwerte einfach auszusetzen, ist unseriös und wird auch mit keiner einzigen wissenschaftlichen Studie belegt. Dagegen stehen 70.000 wissenschaftliche Studien, die die Schädlichkeit der Dieselabgasgifte Feinstaub und NO2 belegen

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Wann sich die Arbeitsgruppe für mehr Klimaschutz im Verkehr das nächste Mal trifft, ist unklar. Nachdem die Überlegungen etwa zum Tempolimit öffentlich wurden, hatte das Verkehrsministerium eine geplante Sitzung verschoben. Klimaschädliche Treibhausgas-Emissionen im Verkehrsbereich sind in den vergangenen Jahren nicht gesunken. Die Bundesregierung hatte für 2019 ein Klimaschutzgesetz angekündigt mit konkreten Vorgaben auch für den Verkehrsbereich. Agenturen/nd

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