Waffenhändler vor Gericht

Prozess wegen Pistolenlieferung von SIG Sauer nach Kolumbien in Kiel gestartet

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Dienstag stehen drei ehemalige Manager der SIG-Sauer-Firmengruppe wegen mutmaßlich illegaler Waffenlieferungen nach Kolumbien vor dem Kieler Landgericht. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits vor dem Prozessauftakt in einem sogenannten Verständigungsgespräch mit der Angeklagten-Seite vergangene Woche ihre Bereitschaft signalisiert, bei einem Geständnis das Trio nur mit vergleichsweise milden Bewährungsstrafen unterhalb von zwei Jahren belangen zu wollen.

Angeklagt sind Ron Judah C. (57), Michael L. (63) und Robert L. (56.) in 99 Fällen wegen unerlaubter Ausfuhren von Kleinwaffen über den Umweg der USA in das damalige südamerikanische Bürgerkriegsland. Bei dem vermeintlichen Umgehungsgeschäft, das von 2009 bis 2011 abgewickelt wurde, sind laut Staatsanwaltschaft insgesamt 36 628 Pistolen vom Typ SP 2022 in Kolumbien gelandet.

Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel«, hatte im Februar 2014 Strafanzeige gegen das Unternehmen mit seinem Pistolen-Herstellungsstandort Eckernförde erstattet. Auch Zollfahnder waren dem Waffenfabrikanten zu dem Zeitpunkt bereits auf den Fersen. In der Folge gab es mehrere Durchsuchungen in der Eckernförder Waffenschmiede. Aus Bildern ging nämlich zweifelsfrei hervor, dass Pistolen von der Ostsee in die Hände kolumbianischer »Sicherheitskräfte« gelangt waren, die offensichtlich an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren.

Neben der juristischen Bewertung des Waffenweges von Eckernförde bis nach Kolumbien in Form persönlicher Verantwortungen und etwaigen Mitwisserschaften geht es in dem Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer auch unmittelbar um die Frage, inwieweit eine Täuschung des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle durch SIG Sauer erfolgt ist. Die Staatsanwaltschaft Kiel hat nämlich eine Gewinnabschöpfung aus dem Pistolengeschäft bei dem Waffenhersteller in Höhe von zwölf Millionen Euro beantragt.

SIG Sauer betont, der Kleinwaffendeal sei kein Umgehungsgeschäft gewesen, sondern eine korrekte Auftragserfüllung für die US-Regierung des damaligen Präsidenten Barack Obama. Man habe dabei der eigenen Schwesterfirma in New Hampshire zugearbeitet. Ausfuhranträge gab es SIG Sauer zufolge deshalb nur für Lieferungen in die USA. Die Staatsanwaltschaft geht aber auch aufgrund von E-Mail-Schriftverkehr und anderen Unterlagen davon aus, dass die Angeklagten von Beginn an wussten, dass die Pistolen in Kolumbien landen sollten.

Derzeit sind 18 weitere Prozesstermine bis in den Juni hinein anberaumt. Sollten die Angeklagten zu keinem Geständnis bereit sein, könnte ein Mammutprozess bevorstehen. Es wäre immerhin nötig, in jedem der 99 in der Anklageschrift aufgelisteten Fälle die jeweilige Tatbeteiligung der Ex-Manager über die Beweisaufnahme festzustellen oder auszuschließen. Dabei dürfte das Landgericht wohl kaum um Zeugen aus den USA und Kolumbien herumkommen.

Grässlin, der zum ersten Verhandlungstag aus Freiburg angereist war, zeigte sich überrascht über das Verständigungsangebot der Staatsanwaltschaft. Eigentlich ging er davon aus, dass die Anklage mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz, wofür maximal fünf Jahre Haft verhängt werden können, in gewerbsmäßigen Waffenhandel hätte münden müssen, wofür maximal sogar zehn Jahre Haft möglich wären. Das nun in die Diskussion gebrachte maximale Strafmaß halte er eigentlich für einen Skandal. Da trickreiche Waffengeschäfte zur Umgehung von Bestimmungen und Gesetzen jedoch eher Alltag als Einzelfall seien, wäre ein Geständnis aus der Etage von Verantwortlichen auch schon ein immerhin kleiner Erfolg nach langjähriger, mühsamer Aufklärung.

Grässlin beteiligte sich vor dem Gerichtsgebäude an einer Mahnwache gegen Waffenexporte. Die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen bezichtigt SIG Sauer auch, Waffen in andere Länder mit Kriegshandlungen und Menschenrechtsverletzungen wie Irak und Mexiko geliefert zu haben. Die »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel« versammelte sich parallel zum Prozess auch vorm Bundestag und prangerte verharmlosende Umschreibungen deutscher Rüstungsexporte an. Auch in Heidelberg gingen Rüstungsgegner auf die Straße. Sie forderten ein wirkungsvolleres Rüstungsexportkontrollgesetz.

Erst vorige Woche wurde der Waffenhersteller Heckler & Koch vom Stuttgarter Landgericht wegen der Lieferung von Sturmgewehren und Zubehörteilen nach Mexiko zu einer Zahlung von 3,7 Millionen Euro verurteilt. Dazu erhielten zwei ehemalige Angestellte eine Bewährungsstrafe von 17 beziehungsweise 22 Monaten.

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