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Undiplomatischer Auftritt

Deutschlands Botschafter muss Venezuela verlassen / Minister Maas stützt seinen Beamten

  • Jürgen Vogt
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch am Montag hatte Botschafter Kriener den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó bei dessen Rückkehr ins Land zusammen mit anderen Botschaftern aus EU- und lateinamerikanischen Ländern sowie dem US-Geschäftsträger am Flughafen begrüßt. Damit wollten die Diplomaten einer drohenden Festnahme des 35-jährigen Oppositionspolitikers entgegenwirken.

Warum aber muss der deutsche Botschafter als einziger der anwesenden Diplomaten Venezuela verlassen? Dies mag zunächst mit dem Auftreten Krieners vor Ort zu tun haben. In einem Statement hatte er erklärt, dass Deutschland sowie die Europäische Union sich für freie Wahlen »in den kommenden Monaten« in Venezuela einsetzen. Juan Guaidó sei als Interimspräsidenten anerkannt worden, damit er den politischen Prozess zu diesen Wahlen führt. Die Vertreter Frankreichs oder Spaniens hatten sich deutlich zurückhaltender geäußert.

Zudem berief sich Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza ausdrücklich auf ein Gutachten des Wissenschaftliches Dienstes des Deutschen Bundestages. »Die Aktivitäten von Herrn Kriener widersprechen nicht nur den wesentlichen Normen, die für die diplomatischen Beziehungen gelten, sondern sie widersprechen auch den klaren Kriterien, die der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem öffentlichen Bericht festgestellt hat, wonach die Position der deutschen Regierung ein ›Akt der unrechtmäßigen Einmischung‹ darstellt«, sagte Arreaza.

Der Außenminister bezog sich dabei auf zwei Berichte, die der Wissenschaftliche Dienst im Auftrag der Linksfraktion erstellt und am 7. und 15. Februar veröffentlicht hatte. In beiden geht es vor allem um die Frage, ob die Anerkennung Guaidós als Interimspräsident durch die deutsche Bundesregierung Anfang Februar eine unrechtmäßige Einmischung darstelle oder nicht. Mit der Anerkennung Guaidós war die Bundesregierung von der bisherigen Praxis abgerückt, nur Staaten, nicht aber Regierungen förmlich anzuerkennen. Der Wissenschaftliche Dienst kommt zum Schluss, dass es »starke Gründe« für die Annahme einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas gebe. »Somit bleibt die Frage, ob die Einmischung in innere Angelegenheiten im vorliegenden Fall als unzulässige Intervention zu qualifizieren ist, durchaus berechtigt«, heißt es in dem Bericht vom 7. Februar. Allerdings könne »mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zweifelsfrei festgestellt werden,« ob zum Zeitpunkt der Anerkennung die »tatsächlichen Voraussetzungen« für eine Anerkennung vorgelegen haben, heißt es zugleich.

Deutlicher wird es im zweiten Bericht: »Mit dem Verweis auf Art. 233 der venezolanischen Verfassung positioniert sich Deutschland gleichzeitig in einer strittigen Frage des venezolanischen Verfassungsrechts. Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der «Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates» völkerrechtlich ebenso fragwürdig wie die (vorzeitige) Anerkennung eines Oppositionspolitikers als Interimspräsidenten, der sich im Machtgefüge eines Staates noch nicht effektiv durchgesetzt hat.«

Guaidó hatte seine Ernennung zum Interimspräsidenten unter anderem mit dem Verfassungsartikel 233 begründet, demzufolge bei totaler Abwesenheit des Staatspräsidenten der Präsident der Nationalversammlung das Amt vorübergehend übernimmt. Da sich Maduro jedoch als legitimer Präsident im Amt bestätigt sieht, ist Guaidós Begründung unter Verfassungsrechtlern umstritten. Und dass darüber auch im Deutschen Bundestag Uneinigkeit besteht, wurde auch in Caracas registriert.

Kriener habe sich »eher wie ein politischer Führer« aufgespielt, denn als Diplomat, so Außenminister Arreaza. Die Bundesregierung bekräftigte noch am Mittwochabend abermals ihre Entscheidung und stellte sich zugleich hinter ihren Botschafter. »Unsere, die europäische Unterstützung für Juan Guaidó ist ungebrochen. Botschafter Kriener leistet in Caracas, auch gerade in den letzten Tagen, hervorragende Arbeit«, sagte Außenminister Heiko Maas. Dennoch habe er Kriener zu Konsultationen nach Deutschland zurückgerufen.

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