80 Prozent Frauenanteil auf dem Stimmzettel

Sachsens LINKE benennt weibliches Kernteam für Landtagswahlkampf / Quadratur des Kreises bei Listenerstellung

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den Stimmscheinen, mit denen die Sachsen am 1. September den nächsten Landtag wählen, sind in der Rubrik für die Zweitstimme bei jeder Partei fünf Namen aufgeführt. Es sind die jeweils vorn auf den Landeslisten platzierten Kandidaten. Die LINKE steuert dabei in diesem Jahr auf eine Art Rekord zu: Vier der fünf Genannten sind Frauen. Das hat es in Sachsen noch nicht gegeben.

Zwar ist der Spitzenkandidat bei den Genossen im Freistaat wie seit jeher ein Mann. Rico Gebhardt führt die Partei nach 2014 zum zweiten Mal in einen Wahlkampf; der 55 Jahre alte Erzgebirger hatte sich als einziger einem Mitgliederentscheid gestellt und war mit 88,7 Prozent gewählt worden. Nun aber hat er ein »Kernteam« formiert - und dafür ausschließlich Frauen benannt. Es handelt sich um die Chemnitzer Sozialpolitikerin Susanne Schaper, die im Kreisverband Erzgebirge beheimatete Landeschefin Antje Feiks, die aus Dresden stammende parlamentarische Geschäftsführerin Sarah Buddeberg sowie Marika Tändler-Walenta, Kreischefin in Mittelsachsen. Auf der Landesliste, die am 13. und 14. April gewählt wird, sollen sie die Plätze 2 bis 5 erhalten.

Dass vor Wahlen eine Kernmannschaft benannt wird, hat in der sächsischen LINKEN Tradition. Oft wurden dabei renommierte und gewissermaßen »ministrable« Fachpolitiker oder prominente Quereinsteiger berufen. 2009 etwa holte der damalige Spitzenkandidat André Hahn die Dresdner Tafel-Chefin Edith Franke in sein Team - und Gerhard Besier, einst Chef des Hannah-Arendt-Instituts in Dresden, heute Stadtrat für die FDP.

2014 berief Gebhardt neben altgedienten Abgeordneten wie der Schulfachfrau Conny Falken und dem Rechtsexperten Klaus Bartl auch zwei Politiker, die seither Karriere jenseits des Landtags gemacht haben: Annekatrin Klepsch ist Kulturbürgermeisterin in Dresden, Sebastian Scheel Staatssekretär in Berlin. Für die anstehende Wahl hatte ein Parteitag im August entschieden, dem Spitzenkandidaten ein vierköpfiges Kernteam zur Seite zu stellen, das sich durch »besondere personelle und / oder fachliche Kompetenzen« qualifiziert.

Die jetzt Benannten zeichnen sich nicht unbedingt nur auf einem Fachgebiet aus; alle seien »Generalisten«, sagt Gebhardt. Bei der Auswahl ging es vielmehr um ihr Geschlecht - und eine Reaktion auf den Rechtsruck. »Je rechter Parteien sind«, formuliert der Spitzenkandidat, »um so weniger spielen Frauen dort eine Rolle.« Bei der AfD finden sich auf den ersten 30 Listenplätzen lediglich zwei Frauen. Bei der CDU sind es aktuell immerhin 13. Die LINKE hat seit langem eine Mindestquotierung - die auf den vorderen Plätzen nun sogar übererfüllt wird. Zudem stehen die Frauen für einen Generationswechsel. Mit 41 Jahren ist Schaper die älteste der vier; Tändler-Walenta, die einst Mitarbeiterin von Lothar Bisky im Europaparlament war, ist sogar erst 34. Sie ist die einzige im Kernteam, die bisher nicht im Landtag sitzt.

Mit der Benennung des Kernteams sind erste Vorentscheidungen für die Liste gefallen. Nächster Schritt ist die Erstellung eines »Personalpools« für die Plätze 6 bis 20. Darüber berät am 5. April der Landesvorstand; vier Tage später gibt es einen Kleinen Parteitag. Die Aufgabe gleicht ein wenig der Quadratur des Kreises. Derzeit hat die LINKE, die 2014 auf 18,9 Prozent kam, 27 Abgeordnete. Nur sieben von diesen wollen nicht wieder antreten; 20 streben erneut ins Parlament. Daneben müssen aber zwei Vertreter des Parteinachwuchses sowie sechs Bewerber berücksichtigt werden, die bisher nicht im Landtag sitzen. Außerdem sollen alle 13 Kreisverbände angemessen berücksichtigt werden. Diese hatten die Möglichkeit, Kandidaten für die Landesliste zu »priorisieren«, wovon freilich nur fünf Gebrauch gemacht haben.

Daneben macht sich die Partei Hoffnung auf den Gewinn von Wahlkreisen. 2014 gelang das nur Jule Nagel in Leipzig. Das Erstarken der AfD zulasten der CDU erhöht die Chancen vor allem in den drei Großstädten. Der Landesvorstand hat kürzlich Kriterien beschlossen, nach denen die Kampagne in zu »strategischen Wahlkreisen« erklärten Bezirken besonders gefördert werden kann.

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