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Kurioses vom rechten Rand

Ein Rundgang auf der Leipziger Buchmesse. Zwischen Neonazis, christlichen Fundamentalisten und Chemtrailexperten

  • Nina Böckmann
  • Lesedauer: 8 Min.

Im letzten Jahr machte die Leipziger Buchmesse durch die Teilnahme rechter Verlage von sich reden. In diesem Jahr scheint sich die Situation beruhigt zu haben. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass hier neben renommierten Verleger*innen und buchbegeisterten Besucher*innen nach wie vor auch rechtsgesinnte Personen unterwegs sind. Ein Rundgang zwischen Neonazis, christlichen Fundamentalisten und Chemtrailerxperten.

»Dass es Chemtrails gibt, das ist altbekannt.«

Es ist Samstagmorgen. Ein braungebrannter Mann mit blondem Pferdeschwanz steht auf der Bühne einer Leseinsel der Leipziger Buchmesse. In der Hand hält er kein Buch, sondern eine schwarze Gitarre. Er trällert einen Schlager, um sein Publikum auf das vorzubereiten, was da noch kommt. Auch das Publikum erinnert eher an jenes des ZDF-Fernsehgartens. Das Lied singe er vorweg, denn es sei ja schließlich ein »schlimmes Thema«, über das er nun informieren wolle. Der blonde Mann mit der Gitarre heißt Christian Anders und war tatsächlich vor vielen Jahren einmal ein bekannter Schlagerstar. Heute schreibt er Bücher wie »Der Impfwahnsinn« oder »Der Mann, der AIDS erschuf«.

Eigentlich ist Anders hier, um sein neues Buch vorzustellen. »Grippewelle durch Chemtrails« heißt es. Im Vorwort habe Dr. Serge Paukovics, ein Arzt aus Wien, der hauptberuflich Pilot von Jumbojets sei, ihm für sein neues Werk gedankt. Paukovics bezeichnet sich selbst als »Opfer der Impfmafia«.

»Dass es Chemtrails gibt, das ist altbekannt«, startet Anders seinen Vortrag. Die Erklärung wieso das so sei, bleibt er schuldig, fragt lieber in die Runde, ob denn Ärzte anwesend seien. Es antwortet eine Frau: Nein, Ärztin sei sie nicht, aber so etwas ähnliches. Es sei logisch, dass sich niemand als Arzt zu erkennen geben mag, sagt Anders. Die hätten alle Angst davor, dass ihnen die Approbation entzogen werden könnte.

Auf seinem YouTube-Kanal hält der selbsternannte Aufklärer stundenlange Monologe darüber, wie man durch Salz schwanger werden könne und darüber, wie die Lügenmedien verhindern wollen, dass sich seine »Rechercheerkenntnisse« bezüglich Impfungen, Salz und Chemtrails verbreiteten. Und überhaupt: Mit dem Verkauf seiner Bücher mache er kein Geld, es gehe ihm um die Aufklärung. Laut eigener Aussage habe er just den Schlagerweltrekord der meisten Besucher*innen gebrochen, doch die Presse würde das totschweigen. An Größenwahn ist Anders kaum zu überbieten. Nach dem Ende seiner Veranstaltung folgt ihm ein Großteil des Publikums, etwa 20 Personen, für ein Autogramm zum Verlagsstand.

Die Rechten in der Imbissecke

Um die Stände der rechten Verlage ist es ruhig geworden. War die Ecke um den Compact-Stand letztes Jahr noch durch junge Rechte der Identitären besiedelt, die sich vor dem Stand des Antaios-Verlags tummelten, so wirkt sie dieses Jahr nahezu ausgestorben. Lediglich ein Grüppchen junger Rechter aus der nordsächsischen Kleinstadt Taucha senkt kurz den Altersdurchschnitt.

Jürgen Elsässer, Chefredakteur von Compact, steht auf den Ellenbogen gelehnt am Stand und führt Gespräche mit Besucher*innen. Sein Blick huscht immer wieder nervös über die Köpfe der Interessierten, er scheint unruhig. Einsam liegt auch der gemeinsame Stand des NPD-Verlags Deutsche Stimme und der Rechts-außen-Stiftung Europa Terra Nostra auf der äußeren Seite der Halle 3. Direkt gegenüber ein Hot-Dog-Stand, daneben die Imbissecke. Frank Franz, NPD Bundesvorsitzender, steht etwas verloren an einem Stehtisch, bereits in den frühen Mittagsstunden wird dort Rotwein getrunken.

Alte Männer gegen Abtreibung

Ein Verlag fällt durch ein auffälliges Symbol auf. Sein Emblem erinnert an einen Luzifer mit großem steifen Penis. Hier liegen wirr erscheinende Hefte aus, auf deren Cover Rosa Luxemburg mit einem Mutterkreuz neben Adolf Hitler abgebildet ist. Sie sind Teil der antiamerikanischen und antifeministischen Reihe »Ketzerbriefe«. Weiter geht es vorbei am Stand der Zeitschrift »Deutsche Sprachwelt«, die sich für ein Ende des »Gender-Gagas« und der damit einhergehenden »Verhunzung« der deutschen Sprache engagiert.

Die fundamental christliche Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur richtet eine Veranstaltung mit Mathias von Gersdorff aus, der sich selbst »Lebensschützer« nennt. Am Stand der Vereinigung kann man Bücher erwerben, die über die »Gefahren durch Pornografie« aufklären. Vor allem aber setzt sich die Vereinigung gegen das Recht auf Abtreibung ein.

Auf einer Bühne, die sich unweit einer gigantischen Schlange von Fans des Autors Sebastian Fitzek befindet, sitzen zwei Männer mittleren Alters. Einer von ihnen ist von Gersdorff, der sein neues Buch vorstellt. Die Veranstaltung ist mäßig besucht, die Zuhörer ähneln in ihrer Erscheinungsform sehr den beiden Herren auf der Bühne. Es sind nur wenige Frauen gekommen. Von Gersdorff schreibt regelmäßig für die rechte Wochenzeitung »Junge Freiheit«. Auf dem Podium ärgert er sich über die aktuellen Debatten über Schwangerschaftsabbrüche. Die »Abtreibungsbefürworter« seien über die Jahre immer mehr geworden, die Politik mache sich mit ihnen gemein. Wirklich interessiert hört ihm niemand zu, die Veranstaltung ist das Gegenteil von dynamisch.

Ein Nazirocker und ein Möchtegern-Moderator

Einzig der wenig bekannte Moderator Nana alias »Lifestyler« Domena sorgt für etwas Aufmerksamkeit in der rechten Ecke. Domena ist schwarz und Teil des seit über zwei Jahren existierenden YouTube-Formats »Multikulti trifft Nationalismus«. Dieses betreibt er gemeinsam mit Frank Kraemer, dem Gitarristen der Neonazi-Band »Stahlgewitter«. Nach eigenen Angaben formierte sich das Gespann, nachdem Domena beim Kölner Ableger von Pegida mit Kraemer ins Gespräch kam. Ganz unbefangen einigt man sich zu Beginn eines Videos darauf, dass es Rassen gibt. Domena glänzt in den Videos mit seiner maximal unkritischen Haltung.

Kurz vor Beginn der Veranstaltung von Europa Terra Nostra sammeln sich vor dessen Stand rund 60 Personen. Einige Paare sind dabei, vereinzelt sieht man Kinderwagen. Offenbar wurde im Vorfeld abgesprochen, dass man sich gesammelt zum Veranstaltungsort begibt. Der Tross grimmig schauender Männer schiebt sich vorbei an jungen, gutgelaunten Menschen in bunten Kostümen zum Veranstaltungsort.

Der etwas abseits gelegene Raum ist nach wenigen Augenblicken heillos überfüllt. Man beschwert sich, fühlt sich gegängelt von der Messe. Der Moderator, Peter Schreiber, ärgert sich als erstes darüber, dass ein Verkauf der Bücher des eigenen Verlages durch den Protest der zuständigen Angestellten der Buchmesse nicht möglich gewesen sei. Aus eigenem Protest werde er diese Bücher - gegen eine Spende - verschenken, kündigt Schreiber an. Die Rechten in der Opferrolle, man kennt diese Inszenierung.

Die Veranstaltung besteht dann aus einer Mischung von Witzen über Menschen mit schwarzer Hautfarbe, die Domena einem schenkelklopfendem Nazipublikum vorträgt und einem schwafelnden Frank Kraemer, der sich zwar in Fremdwörtern ergeht, aber nicht mehr ausdrückt als die platte Rassenlehre, wie man sie aus der NS-Zeit kennt. Es scheint, als wolle er sich vor seinen Kameraden erklären und rechtfertigen, warum er mit einem Schwarzen zusammenarbeitet. Domena sei ein »Leuchtturmmigrant«, überhaupt nicht repräsentativ für den Großteil der anderen Ausländer. In diesen Kanon steigt auch Domena dankbar ein, er arbeite sehr sehr hart, die meisten anderen Ausländer nicht.

Meinungsfreiheit auch für Antidemokraten

Auf eine Anfrage des »nd«, wie es sein kann, dass nach wie vor rechte Verlage an der Buchmesse teilnehmen dürfen und danach, wie die Verbreitung verschwörungstheoretischen Gedankenguts auf der Messe möglich sein kann, äußerte sich der Unternehmenssprecher der Leipziger Messe. Bezüglich der Teilnahme rechter Verlage sei die Messeleitung »an das Grundgesetz gebunden«, lehne jedoch jede Form von Rassismus, Ausgrenzung von Minderheiten und Gewalt ab, so Steffen Jantz. Zudem hätten alle Aussteller das Recht, eigene Veranstaltungen durchzuführen. »Das schließt auch Beiträge ein, die nicht unserer persönlichen Anschauung entsprechen«, so Jantz weiter.

Vermehrt kam es in diesem Jahr zu Vorfällen mit der Security der Leipziger Messe. So machte der Verlag Edition Nautilus darauf aufmerksam, dass eine Mitarbeiterin mit der Begründung, es solle keine politischen Slogans auf der Buchmesse geben, aufgefordert wurde, einen Anstecker mit der Aufschrift »Verlage gegen rechts« abzulegen. Ähnlich reagierte die Messesecurity auf die Seawatch-Sticker einer Freundin der Autorin Zoë Beck. Die Sticker wurden ihr am Einlass abgenommen.

Lediglich zu einer Störaktion durch Rechte bei einer Veranstaltung des Aktionsbündnisses »Verlage gegen Rechts« ist es gekommen. Nach etwa zwei Minuten war die Aktion jedoch bereits beendet. Lisa Mangold ist Teil des Bündnisses. Im Vergleich zur Buchmesse 2018 hat sich ihrer Einschätzung nach verändert, wie Journalist*innen über die anwesenden Rechten und ihre Aktionen schreiben. »Eine Provokation funktioniert nur, wenn sie auch so aufgegriffen wird. Ein olles Banner ist und bleibt ein olles Banner«, so Mangold. »Auf der anderen Seite brauchen sie nicht mehr unbedingt eine Bühne, denn sie haben es geschafft, rechte Ideologie und Denkmuster im Feuilleton zu etablieren. Der vorauseilender Gehorsam der Mitte ist ein Ergebnis dieser Strategie«, schlussfolgert Mangold. Bei einer Prognose für die kommenden Jahre ist sie vorsichtig. »Vor allem die Landtagswahl wird wohl einen Einfluss auf die Position der Rechten in der Kultur haben. Ob die Buchmesse als Ort weiterhin für rechte Akteure relevant bleiben wird, wird sich zeigen.«

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