Auf der Straße keine Ruhe

Trotz stärkerer Polizeipräsenz kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Transsexuelle.

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 5 Min.

An der Frobenstraße, Ecke Kurfürstenstraße stehen wie an jedem Abend Prostituierte. Angst, hier zu arbeiten, habe sie keine, erzählt eine von ihnen. »Aber mir ist auch noch nie was passiert.« Anderen aber schon. Manche Sexarbeiter*innen stiegen in die Autos von Freiern und würden nicht wieder zurückgebracht. Anderen werde das eingenommene Geld wieder »abgeklaut«. Auch Vergewaltigungen gebe es häufig. Und natürlich Beschwerden von Anwohner*innen. »Hör dir die Musik da drüben an. Das ist denen zu laut«, sagt sie und zeigt auf die andere Straßenseite, wo ein halbes Dutzend junger Frauen am Fahrbahnrand zur Musik tanzt, die aus einer Boombox dröhnt. Ob sie von den Attacken auf Transsexuelle in der Frobenstraße gehört habe? »Hab’ ich von gehört. Es sollen Araber gewesen sein. Die Trans stehen aber auf der anderen Seite.« Weiter Richtung Nollendorfplatz steht eine junge Frau aus Budapest. Seit einem Jahr arbeite sie hier auf der Bülowstraße, zugestoßen sei ihr bisher nichts. »Ich zeige dir das Café, dort triffst du Transleute«, sagt sie.

Laut Polizeimeldung vom 20. März waren es sieben Angriffe in drei Wochen. »Sie kamen zwischen zwei und drei Uhr morgens. Ein Auto hielt an und vier Männer stiegen aus. Einer mit Metallstange lief hinter mir her und versuchte, mich damit zu schlagen. Aber ich war schneller, obwohl ich hochhackige Schuhe anhatte.« Petra, eine der transsexuellen Sexarbeiter*innen von der Frobenstraße, sitzt vor dem 23 Stunden geöffneten »Steh-Café Froben«, während sie von dem traumatischen Überfall erzählt. Auch die Betreiberin des Spätshops hat von den Angriffen gegen ihre Gäste gehört: »Es stand in der Zeitung und die Transvestiten haben es mir erzählt.« Ihr Laden ist der Ort, an dem sich viele, die in der Nähe auf der Straße arbeiten, einfinden. Zehn Menschen sind es an diesem kalten Aprilabend, die meisten sprechen Ungarisch und Türkisch.

Schon vor einem Jahr hatte es hier eine Überfallserie gegeben. Als die Berliner Polizei nun neue Angriffe speziell auf Transsexuelle im Schöneberger Kiez meldet, bei denen auch säureartige Flüssigkeiten benutzt worden sein sollen, wird Anne Grießbach eingeschaltet. Grießbach ist die zuständige Ansprechperson für Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) beim Landeskriminalamt Berlin. Sie sei froh, dass es mittlerweile ein stärkeres öffentliches Interesse und mehr Berichterstattung dazu gebe, so Grießbach. Auskunft zu den aktuellen Ermittlungen kann sie keine geben, die liegen beim Fachkommissariat des Polizeilichen Staatsschutzes beim Landeskriminalamt Berlin. Grießbach ist diejenige, die auf der Straße unterwegs ist, um mit den Menschen zu reden.

So wie auch ihr Kollege Sebastian Stipp. Im April 2018, nach der letzten Angriffsserie an der Frobenstraße, war er Teilnehmer der sogenannten Kiezrunden, bei denen Behörden, Bezirk, Sozialarbeiter*innen und Sexarbeiter*innen ins Gespräch kommen sollten. Stipp hat auch das »Transdinner« besucht. Initiiert wurde dieses wöchentlich stattfindende Essen Ende 2017 von der Sexarbeiterin Emy Fem, die sich auch als Aktivistin und Sozialarbeiterin für transsexuelle Sexarbeiter*innen einsetzt. Vor einem Jahr hatte sie sich mehr Polizeipräsenz im Kiez gewünscht. Auch in Zivil.

Man habe, so der zuständige Mitarbeiter im Polizeipräsidium, »durch den örtlich zuständigen Polizeiabschnitt die Maßnahmen zum Schutz der potenziellen Opfer entsprechend angepasst, diese unterliegen einer intensiven fortlaufenden Betrachtung«. Die Sexarbeiter*innen in der Frobenstraße seien gezielt angesprochen und mit Informationsmaterial versorgt worden. »Die Damen waren der Polizei gegenüber sehr aufgeschlossen und entgegenkommend.« Man führe diese »Kiezrunden« regelmäßig durch und versuche so, weiteres Vertrauen aufzubauen. »Die Polizei ist nicht das Problem«, sagt Petra. »Die fährt alle fünf Minuten hier vorbei.« Die Angreifer kriegen sie trotzdem nicht zu fassen. Vor drei Wochen habe es im »Steh-Café Froben« eine Ausweiskontrolle gegeben. »Was passiert mit den Leuten, die uns angreifen?«, wollte Petra von den Polizeibeamt*innen wissen. »Sie sagten nur: Wir suchen die.« Wie es ihr damit geht? »Schlecht.« Sie zieht die Schultern hoch.

Auch im Bezirk geht es nur langsam voran. »Ich war entsetzt, als ich von den neuen Angriffen gehört habe«, sagt die zuständige Gleichstellungsbeauftragte von Mitte, Kerstin Drobick. Nach ihren Informationen hat es seit April 2018 keine weitere »Kiezrunde« mehr gegeben. Als längerfristige Maßnahme sei im September 2018 aber der »Runde Tisch Sexarbeit« konstituiert worden. Dieser trifft sich allerdings nur halbjährlich, das nächste Mal Ende Mai dieses Jahres. In akuten Notlagen, wenn sich die von Gewalt bedrohten Sexarbeiter*innen nicht selbst helfen können, hilft sozialarbeiterisches Engagement. Zum Beispiel vom Projekt Subway des Vereins »Hilfe für Jungs e.V.«. In den Räumen von Subway findet auch das »Transdinner« statt. Man habe hier, so die Polizei, über Anne Grießbach und Sebastian Stipp »vertrauensvolle Gespräche« geführt. Durch diese Netzwerkarbeit sei es gelungen, »die Geschädigten zur Anzeigenerstattung zu bewegen«. Petra ist eine von ihnen. »Was blieb mir übrig? Ich habe Anzeige gegen Unbekannt erstattet.« Auch kurz vor Weihnachten gab es einen Angriff, es läuft eine Anzeige wegen »versuchter Vergewaltigung und Handtaschenraub«.

Im August letzten Jahres wurde am S-Bahnhof Heidelberger Platz in Berlin-Wilmersdorf eine Transperson angegriffen. Die Polizei suchte daraufhin mit Bildern nach dem Verdächtigen. Bislang ohne Erfolg. Bei der Staatsanwaltschaft Berlin gibt es Ermittlungsverfahren wegen vergleichbarer Taten im Oktober 2017 und im April, Mai und Juli 2018. Die Fälle häufen sich.

Eine weitere transsexuelle Prostituierte, die auch an diesem Abend vor dem Spätshop an der Frobenstraße sitzt, sagt: »Bei Subway ist es gut, man kann dort schlafen, duschen und essen.« Und die Situation hier? »Hier ist alles normal.« Sie schaut ins Leere. Was sie braucht? »Geld. Hast du welches?« Petra trinkt noch einen Schluck kalte Bananenmilch. »Ich will hier nur in Ruhe arbeiten.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal