Kampfansage an die Werbeindustrie

Aktivist*innen planen Gegenkampagnen und rufen zum Leaken von Werbematerial auf

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

Blöde Werbung gibt es immer wieder. Zuletzt hat es das Bundesverkehrsministerium mit der Kampagne »Looks like shit. But saves my life« bewiesen. Damit sollen junge Menschen motiviert werden, einen Fahrradhelm zu tragen. Der Slogan selbst, zu Deutsch: »Sieht scheiße aus, aber rettet mein Leben«, ist eigentlich ganz gut. Doch zur Umsetzung der Kampagne entschied sich das Ministerium für den einfachsten Weg: Nackte Menschen. Ein Gesicht der Kampagne: »Germany's Next Topmodel«-Kandidatin Alicija. In Unterwäsche posiert sie mit einem Helm. Dafür hagelte es Kritik in sozialen Medien.

Um solche Kampagnen zu sabotieren, gibt es jetzt eine Internetseite. Sie ist erreichbar unter https://adblockers.de/ und ist als Anlaufstelle für Menschen gedacht, die in der Werbeindustrie tätig sind und bei ihrer Arbeit an ihre moralischen Grenzen kommen. Ziel ist, dass Mediengestalter*innen, die den Inhalt von Kampagnen, die sie fragwürdig finden, auf der Homepage hochladen. Anschließend werden die Kampagnen sogenannten »Adbusting Gruppen« zugänglich gemacht. Dabei handelt es sich um Menschen, die Werbung verfälschen und Gegenkampagnen produzieren. Ein Beispiel dafür gibt ein falsches McDonalds-Plakat, auf dem steht: »Besorgte Burger? Nicht bei uns! Gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz.« Wer hinter diesem Plakat steckt, ist nicht bekannt.

Aktivist*innen vom »Peng!«-Kollektiv aus Berlin stehen hinter der Idee der neuen Website, um Werbende mit »Adbusting-Gruppen« zu verbinden. Auf der Seite wird in einem Video erklärt, dass alle Menschen, die sich an der Werbe-Sabotage beteiligen wollen, anonym bleiben können. Anna, die beim »Peng!«-Kollektiv aktiv ist und selbst auch anonym bleiben möchte, sagt dem nd: »Wir haben schon im Vorfeld Kontakt zu Menschen gesucht, die in der Werbung arbeiten.« Die Aktion stütze sich also auf Leute, die in der Werbeindustrie beschäftigt und unzufrieden mit ihrer Arbeit seien.

Auf der Homepage heißt es, dass viele kluge Menschen damit betraut sind, Kampagnen zu machen. Für den einen ist es vielleicht problematisch, wenn seine Agentur einen Auftrag von einem Autokonzern annimmt, der gerade für einen großen Betrug bekannt geworden ist. Eine andere Person stört es, wenn Frauen in der Werbung nackt oder wenig bekleidet auftreten sollen. Eine Transperson die als Mediengestalter*in arbeitet, könnte bemängeln, dass Transsexuelle in der Werbung mit billigen Klischees versehen werden. »Wir haben beobachtet, dass es viele Menschen gibt, die an ihre moralischen Grenzen kommen, aber finanziell auf ihren Job in der Werbung angewiesen sind«, sagt Anna.

Auf der Adblockers-Internetseite wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Inhalte unter keinen Umständen vom Büro aus hochgeladen werden sollten, weil dies rückverfolgbar sein könnte. In dem erklärenden Video zieht eine Mitarbeiterin einer Werbeagentur die Inhalte daher lediglich auf einen USB-Stick, den sie dann einer Aktivistin zuwirft. In der Realität müssen die Inhalte natürlich irgendwie auf der Homepage hochgeladen werden, am besten eignet sich dafür ein Café oder eine Bibliothek, die keine Rückschlüsse auf die Person zulässt, welche die Inhalte verbreitet.

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Bisher gibt es noch keine große Gegenkampagne mit geleaktem, also heimlich geteiltem Werbematerial. »Wir starten zeitgleich zu der Originalkampagne mit einer Gegenkampagne. Vorher können wir es nicht machen, da wir sonst urheberrechtliche Probleme kriegen könnten«, erklärt Anna. Des Weiteren sagt sie, dass bereits viele Partisan*innen und Agent*innen, wie das »Peng!«-Kollektiv seine Unterstützer nennt, die Aktion begrüßen. Ziel sei es nicht, dass die Betroffenen ihren Job sofort kündigten. Aber die Aktion soll dazu anregen, den Diskurs zu öffnen und Chef*innen auch mal die Meinung zu geigen. Die nächste kluge Werbung kommt also bestimmt: Augen offen halten.

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