Unterwegs mit Esel

Bei einer Tour mit den Tieren überdenken Wanderer ihre Klischees, Kinder entdecken ihre Führungsqualitäten und Managertypen lernen, auch einmal loszulassen.

  • Oliver Gerhard
  • Lesedauer: 5 Min.

Kaspar steht. Schon wieder! Seine Ohren sind lauschend in die Ferne gerichtet, die Augen suchen den Horizont ab. Inzwischen haben die Wanderer gelernt, die Körpersprache zu deuten - das sechs Jahre alte Tier ist nicht stehengeblieben, um sie zu ärgern, und erst recht nicht aus Starrsinn. »Esel sind nicht störrisch, sondern neugierig und ziemlich schlau«, hatte Jan Prowaznik gleich zu Beginn erklärt.

Und tatsächlich: In der Ferne ist ein einsamer Radler zu sehen. Beruhigt klappt Kaspar die Ohren wieder weg - und versucht, die kurze Pause zum Fressen auszunutzen. Doch da greift der Eselführer ein und führt ihn resolut weiter. »Der Esel war immer auch ein Beutetier«, erklärt er. »Wenn ihm etwas komisch erscheint, will er zunächst wissen, ob er in Gefahr ist. Deshalb ist er so ein sympathischer Stehenbleiber.«

Eine nette Umschreibung, die Jan Prowaznik für das Langohr hat. Fast jeder Satz des bärtigen Brandenburgers klingt nach Zuneigung. »Ich finde Esel total hübsch - ich mag diese Gesichter, die großen Ohren, die Mehlschnauze, die freundlichen Augen«, sagt er begeistert. »Esel sind immer aufgeschlossen, nie bösartig - das Wort Goldesel bezieht sich bestimmt auf den Charakter der Tiere.«

Heute steht die »Green Donkey Tour« auf dem Programm, eine Zehn-Kilometer-Wanderung mit ökologischer Anreise: Prowaznik erwartet seine Gäste mit den Eseln am Bahnhof des Dorfes Baitz - und am Ende der Tour steigen sie in Brück wieder in den Zug. Neugierig beschnuppern die Esel bei der Begrüßung die Kinder, die sich beim Striegeln erst einmal mit den Tieren vertraut machen.

Der Eselsführer erklärt solange die Kommandos: »Scheritt« heißt gehen, »Steh« heißt anhalten. »Wenn ihr das sagt, bleiben sie manchmal stehen. Manchmal aber auch nicht«, schmunzelt er vielsagend. »Und wenn ein Tier aufdringlich wird, könnt ihr es einfach zur Seite schubsen. Das machen die Esel untereinander auch so.« Nur füttern solle man sie nicht: »Ein bettelnder, gieriger Esel ist absolut nervig.«

In gemütlichem Schritttempo geht es durch die flache Landschaft des Fläming: weite Rapsfelder, blühende Obstbäume, Kiefernhaine und hin und wieder ein Kirchturm am Horizont. Kein Windrad stört das intakte Bild des Baruther Urstromtals, das während der letzten Eiszeit entstand. Der Guide berichtet von Großtrappen, die man hier beobachten könne, und von Wölfen, die aber lieber unsichtbar bleiben.

Prowaznik hat schon vieles gemacht in seinem Leben - Lehre als Industriemechaniker, Polizeiausbildung, Sportstudium, Projekte mit Lehmbau und Gärtnerei, lange Reisen im Camper bis nach Marokko. Dort entdeckte er seine Berufung: »Ich war fasziniert von den Eseln. Für die Berber sind sie Multifunktionstiere.« Den Kauf seiner Esel hat er nie bereut: »Ich verdiene zwar weniger Geld, mache aber das, wofür mein Herz brennt«, schwärmt Prowaznik.

Vor einer großen Sandkuhle wird Kaspar plötzlich unruhig. »Hier wälzt er sich wahnsinnig gerne im Staub«, sagt der Guide. »Manchmal auch samt Gepäck - dann purzelt alles durcheinander.« Lieber befreit er Kaspar rechtzeitig von seinem Sattel - und der lässt sich gleich in den Sand fallen, rollt genussvoll hin und her. »Wenn ihr ihn jetzt noch streichelt, ist sein Glück perfekt«, ruft Jan den Kindern zu - und die lassen sich das nicht zweimal sagen.

Bald darauf ist der Picknickplatz erreicht. Während die Esel umherstreifen, erzählt ihr Chef von den Gästen, die ihn schon begleitet haben: pubertierende Schüler, die Esel zunächst uncool finden und sich dann nicht mehr von ihnen trennen können; Pilgergruppen, die nur die Stille genießen wollen; Managertypen, die nur schwer damit klarkommen, dass die Tiere ihre Autorität nicht anerkennen. »Über die Esel kommt man ganz toll mit Menschen in Kontakt«, sagt Prowaznik - eine Neuinterpretation des Wortes »Eselsbrücke«.

»Ich will jetzt auch mal Esel führen. Beide!«, ruft Helene, vier Jahre alt. Geduldig erklärt Jan ihr, wie sie die Tiere halten muss. Die beiden Esel freuen sich: Endlich kommen sie zum Fressen. Während Helene sich mit ihrem ganzen Gewicht in die Seile stemmt, knabbern sie genüsslich am Wegesrand. Dann überredet Jan das Mädchen wieder zum Reiten - es kann weitergehen.

Der letzte Abschnitt führt an der Plane entlang, einem Nebenfluss der Havel. Von Efeu umrankte Eichen säumen ihr Ufer, ebenso umgestürzte Bäume oder kleine Ferienhäuser. Kurz vor dem Ziel ist eine Holzbrücke zu überqueren, doch Kaspar stemmt sich gegen das Seil. »Nichts zu machen«, sagt Prowaznik. »Esel haben eine angeborene Angst vor Wasser, da schlägt das Wüstentier durch.« Und so genießt die Gruppe ihre Wanderverlängerung und die Esel setzen mal wieder ihren Kopf durch. »Dickköpfig sind sie ja schon«, sagt einer, »aber auch absolut schlau!«

Tipps

Eselwandern: Bei Jan Prowaznik kostet eine einstündige Schnuppertour für ein bis fünf Personen ab 40 Euro, Halbtagestour je nach Personenzahl ab 98 Euro, Tagestour ab 149 Euro plus Anfahrtspauschale 20 Euro. Tel. 01573/0308560, www.eselnomaden.de. Weitere Anbieter unter www.packeseltouren-brandenburg.de und www.celine-aktiv-reisen.de.

Infos: Tourismusverband Fläming, www.reiseregion-flaeming.de,

Tourismus-Marketing Brandenburg, www.reiseland-brandenburg.de

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