Absage unter einem Vorwand

Fiat-Chrysler will nun doch keine Fusion mit Renault - in Frankreich überwog die Skepsis

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Traum von der Allianz der Autobauer Renault, Fiat und Chrysler ist geplatzt. Am Donnerstagmorgen um 1.17 Uhr teilte Fiat-Chef John Elkann im Namen der Aktionärsfamilie Agnelli mit, dass diese ihr Angebot zurückgezogen habe. Als Vorwand dient die angeblich zögerliche Haltung der französischen Seite. Auch Italiens Vizeregierungschef Luigi Di Maio schob Frankreich den Schwarzen Peter zu und machte »politische Einmischung« für das Scheitern der Fusion verantwortlich.

Für den französischen Staat, der 15 Prozent der Anteile an Renault hält, hatte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire eine Woche Bedenkzeit gefordert, um in der Zwischenzeit in Japan die Zustimmung des Renault-Partners Nissan einzuholen. Der Renault-Verwaltungsrat hatte daher eine Entscheidung über das Angebot erneut vertagt, auch wenn nach informierten Kreisen eine breite Mehrheit für die Fusion war. Auch missfiel in Frankreich offensichtlich, dass Elkann arrogant erklärt hatte, sein Angebot könne nur angenommen oder ausgeschlagen werden.

Die Idee dieser Allianz war verlockend, hatte aber auch Haken. Durch die französisch-italienisch-US-amerikanische Allianz wäre die nach Toyota und Volkswagen drittgrößte Automobilbaugruppe entstanden, unter Einschluss von Nissan sogar die weltgrößte. Doch Paris hatte Garantien für die französischen Standorte und Arbeitsplätze verlangt, zumal man gerade mit General Electric schlechte Erfahrungen gemacht hat. Der US-Konzern hatte nicht nur seine Zusage, nach der Übernahme der Energiesparte von Alstom in Frankreich 1000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, nicht eingehalten, sondern dieser Tage sogar die Streichung von 1000 Stellen angekündigt. So etwas sollte bei Renault ausgeschlossen werden. Zwar sicherte Fiat-Chrysler Chef Elkann der französischen Regierung einen Platz im Aufsichtsrat zu, obwohl ihr Anteil im neuen Unternehmen auf sieben Prozent geschrumpft wäre, doch auf die Forderung nach Beschäftigungsgarantien reagierte er ausweichend.

Jetzt stellen sich viele die Frage, ob das Scheitern der Allianz zu bedauern oder eher zu begrüßen ist. Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Der Plan war mehr als ungewöhnlich - zum einen wegen der Hast, mit der er vorangetrieben wurde, zum anderen wegen der Dimensionen, denn die Allianz hätte ein buntes Gemisch sehr verschiedener Automarken mit sich gebracht, von Renault, Dacia und Lada über Fiat, Alfa Romeo und Lancia bis zu Chrysler, RAM und Jeep sowie vielleicht sogar bis zu Nissan und Mitsubishi. Damit hätten sich Einspareffekte durch Synergien bei der Fertigung von Teilen und Baugruppen genauso ergeben wie Hilfen für die Erschließung von Märkten, die der einen oder anderen Marke bisher verschlossen waren. Selbst die französischen Gewerkschaften - mit Ausnahme der immer mehr auf radikale Positionen abdriftenden CGT - zeigten sich aufgeschlossen für die Idee. Doch die bunte Vielfalt mit ihrem Gemisch sehr verschiedener Unternehmenskulturen wäre sicher schwer zu lenken und zu beherrschen gewesen.

So beschränkten sich die positiven Reaktionen auf die Ankündigung einer Fusion fast ausschließlich auf Vertreter der beteiligten Gruppen. Für eine breit angelegte Allianz spricht allein schon, dass die Partnerschaft zwischen Renault und Nissan an einem toten Punkt angelangt ist. Vor allem jedoch finden die einzelnen Konzerne diesseits und jenseits des Atlantiks nicht genug Investitionen für die anstehenden revolutionären Entwicklungen in der Branche in Richtung elektrisch angetriebener und weitgehend elektronisch oder sogar autonom gelenkter Fahrzeuge.

Die Stimmen, die Bedenken äußerten oder sogar dafür plädierten, die Finger davon zu lassen, waren indes deutlich in der Überzahl. So warnte Patrick Pelata, bis 2011 Renault-Generaldirektor, in Mails an Dutzende ihm persönlich bekannte Spitzenpolitiker und einflussreiche Geschäftspartner eindringlich vor dem Deal. Auch der langjährige Renault-Nissan-Konzernchef Carlos Ghosn, den die Justiz in Japan immer noch festhält und gegen den jetzt auch die Regierung in Paris eine Anzeige einreichte, schrieb an Freunde und Partner, dass er das Vorhaben für unvorteilhaft und gefährlich halte.

In Paris geht man indes davon aus, dass die Fusionspläne noch nicht ganz vom Tisch sind. Haushaltsminister Gérald Darmanin sagte dem Sender Franceinfo, die Gespräche »könnten in nächster Zeit wieder aufgenommen werden«.

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