Ex-Präsident Lula ist auf dem Weg in die Freiheit

Brasiliens Oberstes Gericht muss nach Enthüllungen Komplott prüfen. Von Martin Ling

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Brasiliens nach wie vor populärer Ex-Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva hat es immer gesagt: »Ich wurde verurteilt, um meine Kandidatur zu den Präsidentschaftswahlen 2018 zu verhindern.« Dafür sprach viel: Der Bundesrichter Sérgio Moro - inzwischen Justizminister unter dem ultrarechten Jair Bolsonaro - und Idol aller Lula- und Arbeitspartei-Hasser, stützte sein Urteil auf Kronzeugenaussagen, harte Beweise gegen Lula wurden nie präsentiert. Der Vorwurf: Lula hätte von der Baufirma OAS eine Luxuswohnung geschenkt bekommen. OAS ist wie die Baufirma Odebrecht in den sogenannten Petrobras-Skandal verwickelt und damit laut Urteil auch Lula. OAS soll im Gegenzug bei Verträgen mit dem staatlich kontrollierten Ölkonzern Petrobras begünstigt worden sein. Der Rechtsgrundsatz »im Zweifel für den Angeklagten« wurde ausgesetzt, das Berufungsgericht urteilte 2018 im Schnellverfahren, um Lulas Antritt bei den Wahlen zu verhindern - die Verurteilung in erster Instanz hätte dafür nicht ausgereicht. Lula hatte Brasilien von 2003 bis 2011 regiert und sowohl 2002 als auch 2010 die Wahlen klar gewonnen. Auch 2018 lag er bei den Umfragen an erster Stelle.

Lulas These eines politisch motivierten Justizkomplotts wird inzwischen von unabhängiger, investigativer Seite unterfüttert. Am vergangenen Sonntag hat die renommierte Plattform »The Intercept« Chatprotokolle und Tonaufnahmen veröffentlicht, die belegen sollen, dass sich Moro zuvor mit den Staatsanwälten abgesprochen hatte. Die Daten waren mutmaßlich bei Hackerangriffen auf Handys der Ermittler und des damaligen Bundesrichters Moro entwendet worden. Der Richter und die Beamten sollen über den Messenger-Dienst Telegram miteinander kommuniziert haben. Moro und die Ermittler nannten die Veröffentlichung einen Angriff auf die Justiz und ihre Privatsphäre.

»The Intercept« ist nicht irgendeine Plattform. Zu den Gründern von »The Intercept« gehört der renommierte Journalist Glenn Greenwald, der 2013 zu dem Team aus Journalisten gehörte, die die Enthüllungen des Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden über den US-Geheimdienst NSA publik machten. Der US-Amerikaner Greenwald, der einst beim britischen »Guardian« arbeitete, lebt inzwischen in Brasilien.

Die Vorwürfe, die in Brasilien für ein politisches Beben sorgten, werden nun geprüft. Der Chef der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft, Deltan Dallagnol, wies die Anschuldigungen zurück. Es handle sich um eine »Verschwörungstheorie ohne jede Grundlage«. Es müsse nachgewiesen werden, dass dabei die Unparteilichkeit verletzt wurde. Dem nachzukommen, ist nun Aufgabe von »The Intercept«. Die Plattform hatte bei der ersten Veröffentlichung angekündigt, noch über weit mehr Material zu verfügen und nur »einen kleinen Teil« publiziert zu haben.

Seit 2014 wird in Brasilien wegen Schmiergeldzahlungen im größten Korruptionsskandal des Landes rund um Petrobras und Odebrecht gegen große Teile der politischen und wirtschaftlichen Elite ermittelt - neben Lula betrifft das bisher 74 Politiker und Funktionäre. Dabei ist die Justiz zwar auf dem rechten Auge nicht ganz blind, leidet aber unter merklicher Sehschwäche. Ein Freispruch für Lula dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, wenn das Oberste Gericht die Belege von »The Intercept« sichtet.

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